Eine Stadt verscherbelt ihre Geschichte
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Wie es aussehen soll: Revitalisierung und Neubebauung des Seitenflügels des Markgräflichen Palais im Siegerentwurf des vorjährigen Wettbewerbs. Die Abbildung zeigt eine aktuelle, leicht überarbeitete Version des Entwurfs. Bild: Staab Architekten
Monopoly in Karlsruhe: In das Markgräfliche Palais von Friedrich Weinbrenner zieht eine Bank – und für das „Forum Recht“ soll der Park des Bundesgerichtshofs beschnitten werden.
Die Türen haben Aluminiumrahmen, die Sprossenfenster sind aus Kunststoff, und die Fassade ist, Vermächtnis eines postmodern gelaunten Denkmalpflegers, bonbonfarben – unten orangerot, oben honiggelb, die Gliederungen milchkaffeebraun. Schon der erste Blick auf das Markgräfliche Palais am Rondellplatz in Karlsruhe alarmiert: Der klassizistische Bau mit der geschwungenen Fassade hinter dem sechssäuligen Portikus ist in desolatem Zustand, ein Hauptwerk von Friedrich Weinbrenner (1766 bis 1826), das an der „Via triumphalis“, der zentralen Nord-Süd-Achse der Stadterweiterung, liegt, wird vernachlässigt und steht, nachdem es lange nur zum Teil genutzt wurde, leer. Die Innenräume sind zerstört, die Gartenfassade ist beseitigt. Eine Stadt missachtet ihre Geschichte.
Weinbrenner ist für Karlsruhe, was Schinkel für Berlin, was Klenze für München ist: Der stadtbildprägende Architekt des Klassizismus. Die Stadt, 1715 auf barockem Fächer-Grundriss errichtet und, so Heinrich von Kleist in einem Brief an seine Schwester Ulrike, „wie ein Stern gebaut“, hat um 1800 knapp neuntausend Einwohner, doch Weinbrenner, eine halbe Generation älter als seine Kollegen, ist keine nur lokale Größe. Nach fünfjährigen Studien in Rom tritt er 1797 als badischer Bauinspektor an, wird zwei Jahre später durch die Heirat mit der Tochter des Stadtbaumeisters von Straßburg französischer Staatsbürger, folgt 1800 einem Ruf ins doppelt so große Hannover und kehrt nach sechs Monaten zurück.
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