Ausstellungen im Haus Konstruktiv : Die Spuren der Schnecken
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Ein ehemaliges Kraftwerk ist genau das richtige Gebäude für das Zürcher „Haus Konstruktiv“. Zum Jubiläum zeigt die Institution zwei energiegeladene Ausstellungen.
Das Zürcher Museum Haus Konstruktiv feiert seine Gründung vor fünfundzwanzig Jahren. Den Begriff Konkrete Kunst prägte Theo van Doesburg 1924, um damit auf die mathematisch-geometrischen Grundlagen der neuen Kunstrichtung hinzuweisen. Sie fiel in der Schweiz auf fruchtbaren Boden. Berühmtester Vertreter der Zürcher Konkreten wurde der Bildhauer, Designer und Maler Max Bill, der nach dem Krieg unter anderem für einige Jahre als Rektor des Ulmer Bauhauses wirkte. Seine Theorie formulierte er im Jahr 1936, wie immer auf Kleinschreibung beharrend: „konkrete kunst nennen wir jene kunstwerke, die aufgrund ihrer ureigenen mittel und gesetzmässigkeiten - ohne äusserliche anlehnung an naturerscheinungen oder deren transformierung, also nicht durch abstraktion - entstanden sind. …. ihre gestaltungsmittel sind die farben, der raum, das licht und die bewegung... konkrete kunst ist in ihrer letzten konsequenz der reine ausdruck von harmonischem mass und gesetz.“
Vielleicht gerade weil die Zürcher Konkreten darauf bedacht waren, Kunst und Leben zu versöhnen, sah ihre Kunst gegen Ende des 20. Jahrhunderts manchmal ein bisschen verstaubt aus. Die Skulpturen von Max Bill (1908 bis 1994) mit ihrem Primat von Maß und Gesetz eigneten sich allzu gut als intelligente Aushängeschilder großer Firmen und adelten deren „Corporate Identity“. Die geometrischen Kompositionen von Camille Graeser (1892-1980) und Richard Paul Lohse (1902-1988) dienten unzähligen Plakaten als Vorbild. Kaum ein Land hat so gute Graphikdesigner vorzuweisen wie die Schweiz - doch schließlich konnte man meinen, ein Öbild von Lohse wäre ein Konzertplakat, dem nur noch die Schrift fehlte, oder ein Bild von Verena Loewensberg (1912 bis 1986) wäre der Entwurf für einen Teppich.
Vor 25 Jahren taten sich Künstler, Sammler und Förderer zusammen und gründeten die „Stiftung für konstruktive und konkrete Kunst“, eine Institution, die sich der Pflege der mittlerweile in die Jahre gekommenen Avantgarde verschrieb und in Zürichs Kunstkreisen bald wohlwollend schmunzelnd als „Quadrätliklub“ bezeichnet wurde. Die Finanzierung stammt je zu einem Drittel aus öffentlichen Mitteln, aus Sponsorenbeiträgen und aus selbst erwirtschafteten Mitteln, wozu mittlerweile auch ein attraktiver kleiner Museumsshop und ein Café mit besonders gutem Cappuccino gehören.
Ein surreales Universum von Mai-Thu Perret
Zunächst gab es Wechselausstellungen im Tiefenbrunnen-Quartier am Stadtrand von Zürich, bis das Museum Haus Konstruktiv vor genau zehn Jahren in die Stadtmitte zog und dabei seine Ausstellungsfläche auf 1200 Quadratmeter verdreifachen konnte. Direkt am Fluss Sihl gelegen, ist die Station Selnau des Elektrizitätswerks der Stadt Zürich ein eindrucksvolles Industriedenkmal des „Neuen Bauens” von 1930. Es weht ein besonders frischer Wind durchs Haus, seit Dorothea Strauss, die zuvor den Freiburger Kunstverein leitete, 2005 seine Direktorin wurde. Unter ihrer Leitung ist das Kernteam von vier auf zwölf Personen angewachsen, außerdem hat sie die jetzt rund 700 Werke umfassende Sammlung stark ausgebaut.