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Seeschlacht von Salamis : Als die Griechen die Perser besiegten

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Dionysos-Schale des Exekias mit Darstellung eines griechischen Kriegsschiffes. Trinkschale, Ton, um 530 v. Chr. Bild: Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek München

Die Münchner Antikensammlung zeigt eine Ausstellung zur Seeschlacht bei Salamis. Sie nimmt dabei auch die Perspektive der besiegten Perser ein.

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          Als „Nadelöhr, durch das die Weltgeschichte hindurchmusste“, bezeichnete der Althistoriker Christian Meier die Seeschlacht in der Meerenge von Salamis. Hier, vor der Küste Attikas, stand 480 vor Christus ein Bündnis aus griechischen Gemeinwesen der Weltmacht der Perser gegenüber. Meier beschreibt, wie der kalkulierende Athener Stratege Themistokles die griechische Flotte zum Sieg führte, der den Kriegsverlauf in eine unerwartete Richtung brachte: Die persische Invasion wurde aufgehalten und die Kulturentwicklung des klassischen, demokratischen Athens mit seinem großen Seereich so überhaupt erst möglich.

          Nun widmet sich die Münchner Antikensammlung diesem weltgeschichtlichen Wendepunkt in einer auf fünf Räume verteilten Ausstellung. Neben Schmuckstücken wie dem einzigen aus der Antike erhaltenen Siegesdenkmal in Form eines Tropaions werden ausführliche Texttafeln mit Erläuterungen und Quellenpassagen präsentiert – Letzteren ist gar ein eigener Raum vorbehalten. Es gibt also viel zu lesen, dafür wenig audiovisuelle Aufbereitung. Das entspricht zwar nicht unbedingt neuesten museumsdidaktischen Moden, muss aber keinen Nachteil darstellen.

          Die Ausstellung präsentiert ihre Objekte in grober chronologischer Reihenfolge, angefangen mit Beutestücken beider Seiten aus der frühen Phase des Konflikts. So wird eine dem frühklassischen Künstler Kanachos von Didyma zugeschriebene Apollonbüste gezeigt, die die Perser 494 vor Christus aus Milet geraubt haben sollen. An ihr offenbart sich exemplarisch ein Problem der ambitionierten, angesichts des Themas aber eher klein gehaltenen Ausstellung: Bei den Skulpturen werden zu großen Teilen Gipsabgüsse oder Kopien gezeigt. Das ist zwar für den Ansatz einer jeden archäologischen Ausstellung – geschichtliche Entwicklungen anhand des vorhandenen Fundmaterials verständlich zu machen – ausreichend. Kopien und Abgüsse umgeben aber eben nicht dieselbe Aura wie die Originale.

          Dagegen überzeugt die Konzeption desjenigen Ausstellungsbereichs, in dem Perser und Griechen einander gegenübergestellt werden. Hier wird auch den Persern ausreichend Raum gegeben, etwa mit einer Rekonstruktion des persischen Palastes von Karačamirli sowie einer Vielzahl persischer Trinkgefäße. Dazu wird auch auf die Wechselwirkungen zwischen beiden Kulturen verwiesen, etwa im Vorkommen persisch anmutender Tonschalen in Attika. Damit greift die Ausstellung das Bemühen der Forschung auf, die sich durch die Quellenlage ergebende einseitige griechische Sicht auf die Perserkriege auszugleichen.

          Auf griechischer Seite wird die Verbindung von Mythos und Geschichte in der Erinnerungskultur herausgearbeitet – eine Trennung, die für Griechen der klassischen Zeit so gar nicht existierte. Der Zug gegen Troja wird als gesamtgriechisches Unternehmen zum willkommenen Vorbild. Einen weiteren mythischen Bezugspunkt stellt der Kampf griechischer Heroen unter Herakles gegen die ebenfalls aus dem Osten kommenden sagenhaften Amazonen dar. Spannend zu verfolgen ist, wie die Amazonen seit den Perserkriegen im Bild nach und nach persische Züge annahmen.

          Monumental gestaltet ist der Raum, der sich mit der Seeschlacht beschäftigt. Eingerahmt von Sitzreihen wie in einem griechischen Theater, hinter denen das epochale Salamis-Gemälde von Wilhelm von Kaulbach aus dem neunzehnten Jahrhundert zu sehen ist, wird ein Modell des Schlachtverlaufs präsentiert. Gegenüber den Sitzreihen ist eine überlebensgroße Statue des homerischen Helden Aias, zugleich Lokalheros von Salamis, platziert. Sie stellt eine moderne Ergänzung des Torsos von Belvedere dar und wird mit Aiasdarstellungen auf Keramiken ergänzt. An den Seiten finden sich Vitrinen mit der Ausrüstung griechischer Schiffe und Soldaten. In dieser Komposition lebt die klassische Bedeutung von Salamis auf: der epochale Sieg der griechischen Kultur. Von den Persern fehlt jede Spur.

          Dass die „Alternative nicht zwangsweise eine orientalische Despotie“ hätte sein müssen, wie Florian Knauß im Begleitband klug anmerkt, hätte durchaus mehr Beachtung verdient gehabt. Die Bedeutung, die Christian Meier dem „Nadelöhr“ von Salamis für die Entwicklung des antiken Griechenlands zumaß, ist unstrittig. Das zwar oft anzutreffende aber unzulässig vereinfachende Geschichtsbild, dass eine Niederlage zwangsweise zum Untergang der griechischen Kultur geführt hätte, ist hingegen sicherlich nicht in seinem Sinne. Bedenkt man die eher lockere Art, in der die Perser ihr Reich führten, hätten griechische Denker wohl auch unter persischer Hoheit Entfaltung finden können. Die Perser übten zudem weitgehende Akzeptanz gegenüber abweichenden Regierungsformen bei untergebenen Völkern – solange diese den persischen Großkönig anerkannten.

          Der Höhepunkt der Ausstellung findet sich an ihrem Ende: Es ist das erwähnte einzige aus der Antike erhaltene Tropaion. Dieses Siegesdenkmal aus erbeuteten Waffen wurde an der Stelle des Schlachtfeldes errichtet, an der die Gegner sich zur Flucht gewandt haben sollen. Das Stück stammt von einem Schlachtfeld des vierten Jahrhunderts vor Christus. Harald Schulze legt im Begleitband plausibel dar, dass diese Form des Siegesdenkmals erstmals nach der Schlacht von Marathon 490 vor Christus errichtet wurde und so für die Erinnerungskultur in der Zeit der Perserkriege steht. So zeigt sich „Salamis 480“ vor dem Hintergrund des monumentalen Themas als zwar kleinere, aber wohldurchdachte Ausstellung. Dass sie sich eher an mit dem Thema bereits vertraute Besucher richtet, muss kein Nachteil sein.

          Salamis 480. Staatliche Antikensammlungen am Königsplatz, München; bis 13. März 2022. Der Katalog kostet 28 Euro.

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