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Die Medici im Met : Jahrmarkt der Eitelkeiten

Samt und Seide des Frühabsolutismus: Das Metropolitan Museum zeigt die Florentiner Kunstblüte unter der alleinigen Herrschaft der Medici-Herzöge.

          5 Min.

          Die Florentiner Spätrenaissance in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts glich leider in vielem dem hämischen Bonmot Bismarcks: „Die erste Generation schafft Vermögen, die zweite verwaltet es, die dritte studiert Kunstgeschichte.“ Mit dem Unterschied, dass die „Generation Postrenaissance“ weniger Kunstgeschichte nach Vasari, dem Vater des Fachs und Medici-Angestellten, studierte als vielmehr die Kunst selbst: Verwöhnte Fratzen in zu weiten Edelklamotten verprassten das reichlich ererbte Vermögen, leisteten sich sündteure Hofkünstler, parlierten nächtelang über Kunst – und sammelten wie die Besessenen alles, was irgendwie danach aussah.

          Stefan Trinks
          Redakteur im Feuilleton.

          Diese Blüte von Kunst und Kultur kurz vor dem Barock, mithin vor dem Versinken des Stadtstaates Florenz in die Bedeutungslosigkeit, feiert das New Yorker Metropolitan Museum mit selbst in diesem Haus selten gesehener Pracht: Der betont nüchterne Ausstellungstitel „The Medici – Portraits and Politics 1512–1570“ ist daher entweder „affektierte Bescheidenheit“ im Sinne von Ernst Robert Curtius oder eben die Tiefe der Substanz – wüsste man es nicht besser, würde man für New York leer geräumte Uffizien vermuten.

          Quasidiktatur in Glanz und Gloria

          Substanz aber hat die Prachtschau, denn sie widmet sich erstmals in dieser Opulenz den Jahrzehnten der nicht nur dem Florentiner Republikaner Michelangelo (der vor ihnen nach Rom floh und dessen spektakuläres Porträt natürlich zu sehen ist) verhassten Alleinherrschaft der Medici, insbesondere jener Cosimos I. de’ Medici, der 1537 Herzog von Florenz wurde.

          Die schleichenden Anfänge dieser Quasidiktatur in Glanz und Gloria werden ebenfalls anhand von Bildern rekapituliert: Nach dem Scheitern der sogenannten Pazzi-Verschwörung, die Lorenzo den Prächtigen sowie seinen Bruder und Mitregenten Giuliano di Piero de’ Medici aus dem Weg räumen sollte, schuf der überlebende Lorenzo Fakten und schränkte in diesem Ausnahmezustand immer mehr Freiheitsrechte ein, und zwar nach innen und außen. Viele andere Stadtrepubliken wie Lucca und Siena wurden blutig unter Florentiner Herrschaft gebracht, bis die Medici Großherzöge der gesamten Toskana waren.

          Ein dreifacher Mörder

          Der Auftakt der Schau mit der überlebensgroßen Bronzebüste des jungen Cosimo I. von Benvenuto Cellini könnte daher nicht besser gewählt sein. Die bronzene Haut von Cosimos Gesicht atmet, selbst seine markante Warze auf der linken Wange hat Cellini nicht vergessen. Nach allen Seiten hin imprägniert er den Herrscher in seinem antiken Lederpanzer: Auf der Brust prangt über dem Orden des Goldenen Vlieses ein furchterregendes Medusenhaupt, das alle Gegner vor ihm versteinern soll, alle neuralgischen Öffnungen und Scharniere der Rüstung werden von Wilden Männern oder Raubvogelköpfen geschützt, und aus seiner rechten Schulterklappe wächst naturalistisch das brüllende Haupt des Nemeischen Löwen heraus – alles bildlicher Abwehrzauber, der aber Cosimo nicht zu einem toskanischen Herkules werden lässt, sondern nur das grundsätzliche Gefühl der Unsicherheit verstärkt.

          Cellini, der selbst drei Morde begangen hatte und durch den mediceischen Straferlass aufgrund seines Talents als Gnadenbrotesser eigentlich ihr Lied singen sollte, tut alles andere als das: Er legt die Stirn des Herrschers in tiefe Falten, lässt die Schläfenadern stark hervortreten und versilbert die Iris der weit aufgerissenen und in unbestimmte Ferne blickenden Augen unter pulsierenden Brauen, sodass kaum ein angsterfüllterer Gesichtsausdruck denkbar wäre. So schaut kein selbstsicherer Regent, und stünde das antikische Bronzebildnis auch noch so sehr in der Tradition römischer Cäsaren-Büsten. Jeder seiner Betrachter, der die Häme der Florentiner Humanisten über den nur an Sport und Spiel interessierten juvenilen Nichtsnutz noch in den Ohren hatte, wusste über Cellinis visuelle Doppelbotschaft Bescheid, zumal die Büste über dem Tor der großspurig nach sich selbst benannten Festung Cosmopolis auf Elba, vormals Portoferraio, stand.

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