Schliemann-Schau in Berlin : Das ist ein paar Orden wert
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Wie wurde Heinrich Schliemann zum berühmtesten Archäologen aller Zeiten? Eine Berliner Ausstellung bietet eine Antwort an.
Als ihn die Grabungen auf den Spuren Homers und die Entdeckung eines Horts, den er zum „Schatz des Priamos“ erklärte, bereits weltweit bekannt gemacht hatten, schrieb Heinrich Schliemann 1875 an seinen alten Schulfreund Wilhelm Rust über das Echo, das seine Entdeckungen, die er eifrig publizierte, in den unterschiedlichen Ländern erfuhren. In Deutschland, so Schliemann, „werde ich von den neidischen Professoren fortwährend auf eine grauenhafte Weise beschimpft, und besonders in Berlin, wo ich sogar oft der Gegenstand der Lobgesänge im Kladderadatsch bin. In England, Frankreich und Amerika dagegen wird die Entdeckung Trojas in vollstem Maße anerkannt und als die größte Entdeckung aller Jahrhunderte angesehen.“ Auf die Frage, wie seine atemraubende Sammlung an Fundstücken aus dem Hügel von Hissarlik einmal am besten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte, hatte Schliemann deshalb die Antwort: „An Deutschland gebe ich sie nicht.“
Schliemanns Funde und die Berliner Museumswelt haben eine gemeinsame Geschichte, die von Glück und Glanz ebenso geprägt ist wie von Katastrophen. Am Anfang knirschte es gehörig: Schliemann, der sich in seinem Heimatland, dessen Staatsbürger er schon längst nicht mehr war, schlecht behandelt, geradezu verhöhnt fühlte, suchte nach einem endgültigen Ort für seine archäologische Sammlung. Eine umfassende Präsentation im South Kensington Museum trug ihm 1877 so viel der dringend ersehnten Anerkennung ein, dass London gut im Rennen für eine dauerhafte Übertragung war. Allerdings dachte Schliemann auch über französische und amerikanische Museen nach, während ihn seine griechische Ehefrau Sophia bestürmte, seine Funde müssten im Land der Helden des Trojanischen Krieges ausgestellt werden – am besten in einem neu zu erbauenden Museum in Athen.
Ein Forscher – und ein Selfmademan
Es bedurfte der beharrlichen Überredungskunst seines Freundes Rudolf Virchow, um Schliemann dann doch zu einer Schenkung der Sammlung an die deutsche Nation zu bewegen, was einherging mit Verhandlungen über den passenden Ort, der zunächst im Kunstgewerbemuseum (dem heutigen Gropiusbau) und dann im neu gebauten Völkerkundemuseum gefunden wurde, und über die dem Schenker zuteilwerdenden Ehrungen – der Orden Pour le Mérite sollte es schon sein, forderte Schliemann, aber auch „andere Orden, soviele zu kriegen sind“.
Die großzügig präsentierte Sammlung von ehemals knapp zehntausend Stücken wurde im Krieg zum Teil zerstört, zum Teil gesichert und nach und nach zurückgegeben, sodass heute etwa 5400 Objekte wieder in Berlin vorhanden sind. Ein weiterer Teil wurde in die Sowjetunion gebracht, dort lange verborgen gehalten und 1998 zum Eigentum des russischen Staates erklärt. Er umfasst etwa fünfhundert Stücke, darunter auch wesentliche Teile vom „Schatz des Priamos“.
An diesem Freitag eröffnet in Berlin aus Anlass von Schliemanns zweihundertstem Geburtstag (F.A.Z. vom 5. Januar) eine große Ausstellung, die sich dieser Lebens- und Sammlungsgeschichte widmet. Wie schon die Präsentation zu den Germanen im Herbst 2020 findet sie in der ebenso nüchternen wie eleganten James-Simon-Galerie und zugleich in Räumen des gegenüberliegenden Neuen Museums statt, was sich für ihre Dramaturgie durchaus als Gewinn erweist, weil der beabsichtigte Bruch in der Erzählung umso deutlicher wird. Der erste Teil widmet sich Schliemanns an Umschwüngen reichem Leben vor den ersten Grabungen, der zweite rückt den Archäologen und seine Funde ins Zentrum. Ohne den Forscher würden wir uns an diesen Selfmademan des 19. Jahrhunderts wohl kaum noch erinnern, aber ohne den zu märchenhaftem Reichtum gelangten Unternehmer hätte es den Archäologen nicht gegeben.
Sprachenlernen nach eigener Methode
Einen Zusammenhang zwischen beiden Teilen stiften überdies Monitore, auf denen die Schauspielerin Katharina Thalbach als Schliemann verkleidet dessen Sicht auf verschiedene Episoden seines Lebens wiedergibt und den Besucher dabei früh darauf vorbereitet, dass diese Erzählungen in hohem Maße inszeniert sind – dass Schliemann, den man auch schon als „pathologischen Lügner“ bezeichnet hat, in seinen Büchern, Artikeln und Briefen ein Bild seiner selbst erzeugt hat, das oft genug in sich nicht schlüssig war und in wesentlichen Teilen widerlegt worden ist.