Zeitgeist und Fotografie : Mit den Augen einer Frau?
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Die großartige Ausstellung „Female View“ im Schloss Moyland zeigt Arbeiten von Modefotografinnen – bleibt aber eine Erklärung des weiblichen Blicks schuldig.
Man wird guten Gewissens unterstellen dürfen, dass die Klagen, die Kunst sei männlich dominiert, so bald nicht verstummen werden. Mal hört man sie höflich formuliert als Bitte, den Frauen doch ein bisschen mehr Wahrnehmung zukommen zu lassen, mal voller Wut regelrecht herausgebrüllt. Und es zeigen sich ja Veränderungen. Auf dem Kunstmarkt, bei den Verlagen, in Museen und Galerien. Auch die Fotografie profitiert davon. Obwohl die Arbeit von Fotografinnen seit mehr als vierzig Jahren untersucht und deren Fehlen im Kanon lange schon bemängelt wird, wurde im vorigen Jahr der enzyklopädische Bildband „What they Saw“ mit Büchern von Fotografinnen aus den Jahren 1843 bis 1999 als Sensation gefeiert und auf der Paris Photo als Fotobuch des Jahres ausgezeichnet. Prompt folgten in dessen Fahrwasser fast wie selbstverständlich die kiloschweren, ebenfalls lexikalisch angelegten Bände „Photography. A Feminst History“ und „A World History of Women Photographers“.
Keine Erklärung oder Deutung
Kein Genre, dass darin nicht beleuchtet würde: von Porträt und Werbung über Architektur und Landschaft bis Reportage oder Kriegsberichterstattung. Was die Bücher wollen, ist, die Namen von Fotografinnen etablieren. Was sie indes nicht bieten, ist eine Erklärung oder Deutung dessen, was den weiblichen Blick in der Fotografie ausmacht. Sieht man von Auseinandersetzungen mit der eigenen Situation und, spezifischer noch, mit dem eigenen Körper sowie mit prekären Situationen von Frauen am Rande der Gesellschaft ab, dort also, wo Männern der Zugang mitunter verboten wird, ist es schwer bis unmöglich, aus einer Aufnahme auf den Urheber oder eben die Urheberin zu schließen.
Vereinfacht könnte man das damit begründen, dass die Welt nun einmal aussieht, wie sie ist. Aber dann wären individuelle Stile nicht voneinander zu unterscheiden. Komplizierter ist deshalb eine Erklärung, wonach sich Konventionen, die sich in der Bildsprache durchgesetzt haben, erst über Epochen hinweg verändern und dass innerhalb derer eher nach neuen Dialektformen gesucht wird, als dass nach radikalen Veränderungen gestrebt würde. In der Modefotografie scheint das in besonderem Maße zuzutreffen. Und wenn nun eine großartige Übersichtsausstellung unter dem Titel „Female View“ Arbeiten von mehr als zwanzig Modefotografinnen präsentiert, bleibt dem Besucher dennoch die weibliche Komponente des Blicks verborgen. Dabei ist es der Präsentation gar nicht darum zu tun, die bisherige Geschichtsschreibung der Modefotografie zu dekonstruieren, vielmehr soll sie komplettiert werden – wobei sich die Auswahl auf fast ausnahmslos berühmte Beispiele beschränkt und sich deshalb auf sicherem Terrain bewegt.
Modefotografie ist Auftragsfotografie, und der Freiraum, den sie bietet, ist überschaubar. Wobei sie sich im Laufe ihrer Entwicklung allerdings von der möglichst präzisen Abbildung von Haute Couture oder Prêt-à-porter hin zur Darstellung, vielleicht sogar Erfindung eines Lebensstils mit Konfektionsware oder ganz ohne Kleidung entwickelt hat. In deren Verlauf mussten aufwendige Inszenierungen im Atelier den Platz räumen für lässige Einfälle in der Straße. Und kühle Eleganz wurde aufgegeben zugunsten einer mitunter schweißtreibenden Erotik.
Dass Modefotografinnen nun versucht hätten, die Autonomie des Blicks auf die Frau an sich zu reißen, davon ist in der Ausstellung nichts zu spüren. Auch sie erliegen jeweils dem Geist der Zeit oder halfen ihm auf die Sprünge. Auf wunderbare Weise dokumentiert die Ausstellung deshalb den Wandel im Selbstverständnis von Weiblichkeit und der vorherrschenden Schönheitsideale im Laufe von hundert Jahren. Der ausgeprägte Wille jedoch, neue Wege zu öffnen, wird viel weniger zur Sache des Geschlechts als der einer Künstlerpersönlichkeit.
Female View – Modefotografinnen von der Moderne bis zum digitalen Zeitalter, Schloss Moyland; bis 15. Januar. Der Katalog, erschienen im Hatje Cantz Verlag, kostet 44 Euro.