Ausstellung: Art of Two Germanys : Eine Schau, die keine Furcht kennt
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Die Kunst des geteilten Deutschlands steht jetzt im Mittelpunkt einer Ausstellung in Los Angeles: „Arts of Two Germanys“ entfaltet ein Kunstpanorama, das es in Amerika in dieser Form noch nicht zu sehen gab.
Eine 56er Isetta, ein 69er Volkswagenkäfer und ein 72er Trabi bilden das Empfangskomitee. In Kalifornien, wo das Leben übers Auto gelebt wird, ist das fast eine Selbstverständlichkeit. Strategisch vor dem Museumseingang geparkt, ködern sie also den Besucher, der vielleicht nicht unbedingt vorhatte, die nächsten zwei, drei Stunden mit Kunst aus gleich zwei Deutschlands zu verbringen.
Im landestypischen Idiom bereiten sie auf eine Ausstellung vor, die freilich nie die Absicht hatte, allein künstlerische Belange zu schildern. Was nach den Autos auch ein Spalier von Dokumentarfotos bestätigt, die, noch bevor die eigentliche Schau beginnt, einen Schnellkurs in deutscher Nachkriegsgeschichte anbieten. Auf Stoffbahnen ins Großformat gesteigert, beschwören die Bilder Schlüsselmomente aus einem halben Jahrhundert herauf, von den städtischen Trümmerlandschaften am Kriegsende bis zum ekstatischen Fall der Mauer. Das ist der Zeitrahmen für „Art of Two Germanys“.
Ostdeutsche Kunst muss sich nicht verstecken
Das Museum betritt das Publikum jedoch keineswegs ahnungslos. Stephanie Barron, langjährige Kuratorin am LACMA, dem Los Angeles County Museum of Art, hat bereits zweimal deutsche Kunst und Geschichte aufgearbeitet, mit den beiden großen Ausstellungen über die Avantgarde in Nazideutschland (“Degenerate Art“) und europäische Künstler, die vor Hitler die Flucht ergriffen (“Exiles and Emigrés“). Und dass das LACMA über eine bedeutende Sammlung deutscher Kunst verfügt und Los Angeles eine Schwesterstadt von Berlin ist, wollte Michael Govan, der smarte Direktor des LACMA, nicht nur am Rande vermerkt wissen.
Allzu weit, ja fehl ginge aber, wer aus dem Zustand der westdeutschen Autos, beide zu makellos funkelnden Museumsstücken restauriert, und dem ziemlich lädiert herumstehenden Trabi Rückschlüsse auf die entsprechende Kunstproduktion ziehen wollte. Jeglicher metaphorische Verweis liefe da ins Leere. Denn „Art of Two Germanys“ versucht, vertraute Erzählungen zu untergraben.
Neue Namen für Kalifornier
Wer noch einmal hören und sehen will, wie Westdeutschland als gelehriges Mitglied eines internationalen Clubs, in dem die Ideen nur so sprühten und der unwiderstehliche Westweltgeist sich in all seiner Fülle und atemberaubenden Geschwindigkeit austobte, dem bedauernswerten, hoffnungslos provinziellen, allenfalls handwerklich versierten, sonst aber künstlerisch und überhaupt total erstarrten Osten davongeeilt ist, wird in Los Angeles nicht auf seine Kosten kommen.
Kalifornier können zum ersten Mal mit Künstlern Bekanntschaft machen, die sie bisher nicht einmal dem Namen nach kannten. Deutsche Besucher aber, die später im Jahr Gelegenheit bekommen, über eine Variation der Schau im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg und Deutschen Historischen Museum in Berlin zu sinnen, werden vor allem eine ostdeutsche Szene entdecken können, deren Nuancenreichtum, widersprüchliche Tendenzen und fortwährender Wandel sich vor westlichen Stiljagden, Konzept- und Perspektivenwechseln nicht zu verstecken brauchen.
Westlich ungehemmte Radikalität
Mit dreihundert Gemälden, Skulpturen, Fotografien, Videos und Installationen von hundertzwanzig Künstlern lässt die Ausstellung in vier Abteilungen Ost und West zusammenprallen; aber nicht weniger oft und überzeugend veranschaulicht sie auch, wie sich Parallelen herausbilden und erstaunliche Korrespondenzen ergeben. Die ersten vier Nachkriegsjahre und ihre düsteren Versuche, neue Wege zu beschreiten und alte, unter Hitler verbotene wiederzubetreten und so mit dem noch kaum überwundenen Horror zurechtzukommen, erleben in der Tat allmählich eine künstlerische Spaltung. Im Osten soll der Sozialismus sich in einer proletarischen Art von heroischem Realismus offenbaren, im Westen die Abstraktion von Freiheit und demokratischen Idealen künden.