Postkoloniale Umdeutungskünste
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Der Spuk ist zu Ende: Das mit antisemitischen Motiven bestückte Banner „People’s Justice“ (2002) des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi wird abgewickelt. Bild: dpa
Eine Diskussion am Hamburger Institut für Sozialforschung will den Antisemitismus-Skandal auf der Documenta aufarbeiten. Doch die Wissenschaftler üben sich in der Kunst der Beschwichtigung.
Das Potential der Kunst, die Gesellschaft durchzurütteln, hat die Documenta 15 wie keine andere Ausstellung vor ihr demonstriert. Allerdings anders, als ihre Initiatoren es sich erhofft hatten: Postkolonialistische Botschaften, die Absage an westlichen Individualismus und die Feier kollektiver Wirtschafts- und Gesellschaftsformen sollten das politische Gravitationszentrum der Schau bilden. Stattdessen bestimmten bald heftige Vorwürfe die öffentliche Diskussion. Auslöser waren Darstellungen, deren Bildelemente – Reißzähne, Hakennase, brutale Soldatenvisagen mit Davidstern auf dem Helm – teilweise antisemitisch, teilweise mindestens von Israel-Hass bestimmt waren.
Am Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS) fand nun eine Podiumsdiskussion zur Documenta 15 statt. Sie sollte die durch die Ausstellung geschaffene „Begegnungssituation“, in der „unterschiedliche historische Erfahrungen und konträre Vorstellungen von Kunst, Politik und Gesellschaft nahezu ungebremst aufeinandertrafen“ ausleuchten. Den Impulsvortrag hielt der Präsident der Hamburger Hochschule für bildende Künste (HfbK), Martin Köttering. An seiner Hochschule teilen sich seit Beginn des Wintersemesters die indonesischen Künstler Reza Afisina und Iswanto Hartono eine Gastprofessur, die vom DAAD gefördert wird. Beide gehören zum Künstlerkollektiv Ruangrupa, das die Documenta 15 kuratierte und das – zusammen mit den anderen Leitungsgremien – im Zentrum der Documenta-Kritik steht. Diese Kritik richtet sich nun auch gegen die Beschäftigung der beiden Künstler als Gastprofessoren, deren Berufung allerdings bereits vor Beginn der Documenta erfolgt war.
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