Alte Synagoge in München : Bauhaus im Hinterhaus
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Baujahr 1931: Die alte Synagoge im Gärtnerplatzviertel Bild: Thomas Dashuber / Jüdisches Mus
Wie München ein architektonisches Juwel zurück bekommt: Die alte Synagoge an der Reichenbachstraße wird saniert.
Das Haus mit der Nummer 27 ist ein Fremdkörper. Die übrigen Häuser an der Münchner Reichenbachstraße wurden im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts errichtet, sind mithin das, was der Großstädter am meisten liebt – Altbau. Die Nummer 27 aber hat ein eigenes Schicksal, und wer sich das näher besieht, kann verstehen, dass es sich nicht um Harmonie schert. Im Gegenteil, seine bronzefarbenen Fenster sehen so aus, als würde ein in die Jahre gekommener Halbstarker mit Spiegelbrille die Muskeln spielen lassen.
Bis vor 15 Jahren beherbergte das Haus die Israelitische Kultusgemeinde mit Büros, Kindergarten und Wohnungen. Im Februar 1970 war es dort zu einem terroristischen Brandanschlag gekommen. Von den 26 Bewohnern starben sieben, darunter zwei Holocaust-Überlebende. Die Tat wurde wohl von der RAF verübt; Wolfgang Kraushaar hat über den Fall ein Buch geschrieben („,Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel?‘ München 1970: Über die antisemitischen Wurzeln des deutschen Terrorismus“).
Nach der Schreckenstat wurden die Sicherheitsvorkehrungen massiv verstärkt. Das Haus wirkte fortan wie ein Hochsicherheitstrakt. Als vor 14 Jahren am Jakobsplatz die neue Synagoge und das Gemeindezentrum eröffneten, wurde das Vorderhaus an der Reichenbachstraße vermietet. Im Durchgang zum Hinterhaus befindet sich ein Fries, der an den Anschlag erinnert. Beim Hinterhaus handelt es sich um die alte Synagoge, die nicht mehr benötigt wurde. Auch heutiger Sicht ist es irritierend, wie schnell deren Existenz vergessen wurde. Das Gebäude verfiel rasch.
Als Rachel Salamander, unlängst mit dem Heine-Preis ausgezeichnete Buchhändlerin und Publizistin, vor acht Jahren an der alten Synagoge vorbeiging, um bei dem im letzten Winkel des Hofs gelegenen Begräbnisinstitut die Beisetzung für eine verstorbene Freundin zu regeln, traf sie nach eigener Schilderung „beinahe der Schlag“. Das Gebetshaus ihrer Kindheit war als Lagerraum zweckentfremdet. „Überall stand Gerümpel herum, und von der Decke tropfte das Wasser auf die Empore“, erinnert sich die alterslose Zweiundsiebzigjährige.
Auf dem Heimweg sei ihr klar geworden, wenn sie sich nicht kümmern würde, würde es niemand tun: „Wenn ich das nicht per Zufall gesehen hätte und wenn ich nicht so ein Verantwortungsgefühl hätte – ich hätte mir einige schlaflose Nächte erspart.“ Sie habe gewusst, ihre Generation muss dieses letzte existierende sakrale Gebäude der Zwischenkriegszeit retten. Zusammen mit dem Anwalt Ron C. Jakubowicz gründete sie den Verein Synagoge Reichenbachstraße, der sich seither im Auftrag der Israelitischen Kultusgemeinde um die Sanierung des architektonischen Juwels bemüht.
Man muss hundert Jahre zurückgehen, um das heutige Szeneviertel rund um den Gärtnerplatz in einem völlig anderen Zustand zu sehen. Die in der Synagoge gezeigte Videoinstallation von Thomas Dashuber sowie die von Ulrike Heikaus gestaltete Audioinstallation leisten hier gute Dienste mit Archivmaterial in Bild und Ton: Rund um den Gärtnerplatz hatten sich viele Ostjuden angesiedelt, die sich, meist durch Pogrome aus ihrer Heimat vertrieben, an der Isar eine neue Existenz aufbauen wollten.