https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst-und-architektur/alte-synagoge-in-muenchens-reichenbachstrasse-wird-gerettet-17624458.html

Alte Synagoge in München : Bauhaus im Hinterhaus

Baujahr 1931: Die alte Synagoge im Gärtnerplatzviertel Bild: Thomas Dashuber / Jüdisches Mus

Wie München ein architektonisches Juwel zurück bekommt: Die alte Synagoge an der Reichenbachstraße wird saniert.

          4 Min.

          Das Haus mit der Nummer 27 ist ein Fremdkörper. Die übrigen Häuser an der Münchner Reichenbachstraße wurden im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts errichtet, sind mithin das, was der Großstädter am meisten liebt – Altbau. Die Nummer 27 aber hat ein eigenes Schicksal, und wer sich das näher besieht, kann verstehen, dass es sich nicht um Harmonie schert. Im Gegenteil, seine bronzefarbenen Fenster sehen so aus, als würde ein in die Jahre gekommener Halbstarker mit Spiegelbrille die Muskeln spielen lassen.

          Hannes Hintermeier
          Feuilleton-Korrespondent für Bayern und Österreich.

          Bis vor 15 Jahren beherbergte das Haus die Israelitische Kultusgemeinde mit Büros, Kindergarten und Wohnungen. Im Februar 1970 war es dort zu einem ter­roristischen Brandanschlag gekommen. Von den 26 Bewohnern starben sieben, darunter zwei Holocaust-Überlebende. Die Tat wurde wohl von der RAF verübt; Wolfgang Kraushaar hat über den Fall ein Buch geschrieben („,Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel?‘ München 1970: Über die antisemitischen Wurzeln des deutschen Terrorismus“).

          Nach der Schreckenstat wurden die Sicherheitsvorkehrungen massiv verstärkt. Das Haus wirkte fortan wie ein Hoch­sicherheitstrakt. Als vor 14 Jahren am Jakobsplatz die neue Synagoge und das Gemeindezentrum eröffneten, wurde das Vorderhaus an der Reichenbachstraße vermietet. Im Durchgang zum Hinterhaus befindet sich ein Fries, der an den Anschlag erinnert. Beim Hinterhaus handelt es sich um die alte Synagoge, die nicht mehr benötigt wurde. Auch heutiger Sicht ist es irritierend, wie schnell deren Existenz vergessen wurde. Das Gebäude verfiel rasch.

          Momentan noch in keinem guten Zustand: Im November gibt es noch Führungen durch die Synagoge
          Momentan noch in keinem guten Zustand: Im November gibt es noch Führungen durch die Synagoge : Bild: Hannes Hintermeier

          Als Rachel Salamander, unlängst mit dem Heine-Preis ausgezeichnete Buchhändlerin und Publizistin, vor acht Jahren an der alten Synagoge vorbeiging, um bei dem im letzten Winkel des Hofs gelegenen Begräbnisinstitut die Beisetzung für eine verstorbene Freundin zu regeln, traf sie nach eigener Schilderung „beinahe der Schlag“. Das Gebetshaus ihrer Kindheit war als Lagerraum zweckentfremdet. „Überall stand Gerümpel herum, und von der Decke tropfte das Wasser auf die Empore“, erinnert sich die alterslose Zweiundsiebzigjährige.

          Auf dem Heimweg sei ihr klar geworden, wenn sie sich nicht kümmern würde, würde es niemand tun: „Wenn ich das nicht per Zufall gesehen hätte und wenn ich nicht so ein Verantwortungsgefühl hätte – ich hätte mir einige schlaflose Nächte erspart.“ Sie habe gewusst, ihre Generation muss dieses letzte existierende sakrale Gebäude der Zwischenkriegszeit retten. Zusammen mit dem Anwalt Ron C. Jakubowicz gründete sie den Verein Synagoge Reichenbachstraße, der sich seither im Auftrag der Israelitischen Kultusgemeinde um die Sanierung des architektonischen Juwels bemüht.

          Man muss hundert Jahre zurückgehen, um das heutige Szeneviertel rund um den Gärtnerplatz in einem völlig anderen Zustand zu sehen. Die in der Synagoge gezeigte Videoinstallation von Thomas Dashuber sowie die von Ulrike Heikaus gestaltete Audioinstallation leisten hier gute Dienste mit Archivmaterial in Bild und Ton: Rund um den Gärtnerplatz hatten sich viele Ostjuden angesiedelt, die sich, meist durch Pogrome aus ihrer Heimat vertrieben, an der Isar eine neue Existenz aufbauen wollten.

          Weitere Themen

          ARD setzt auf Finanztrick

          Haseloff ist Taktgeber : ARD setzt auf Finanztrick

          Die CDU geht die Reform der Öffentlich-Rechtlichen mit einer Kommission grundlegend an. Die ARD verspricht: Im Juni kommt unser Sparkonzept. Der Trick: Ihren „Finanzbedarf“ bei der Gebührenkommission KEF meldet sie vorher an.

          Topmeldungen

          Im Fokus der italienischen Behörden: Die Software ChatGPT

          Verstoß gegen Datenschutz : Italien sperrt ChatGPT

          Die Software würde Daten von Nutzern auf illegale Weise verarbeiten und Jugendliche zu wenig schützen, teilen die Datenschützer aus Italien mit. Nun ist Open AI, der Betreiber von ChatGPT, unter Zugzwang.
          Detailausschnitt des „David“

          Museumsdirektorin in Florenz : Die Nackten und die Amerikaner

          In Florida hat eine Lehrerin ein Foto von Michelangelos nacktem David gezeigt und wurde wegen Pornographie entlassen. Cecilie Hollberg, Museumsdirektorin in Florenz, erkennt darin auch einen Mangel an Bildung.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.