Kommentar : Das Anti-Bush-Buch
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Anti-Bush-Bücher gibt es viele, manche von ihnen sind Bestseller, doch keines hat es bisher vermocht, Bush derart unter Rechtfertigungsdruck zu setzen wie Richard Clarkes "Gegen alle Feinde".
Wieso die ungeheure Durchschlagskraft von Richard Clarkes Buch "Gegen alle Feinde", mit dem der langjährige Antiterrorkoordinator der amerikanischen Regierung jetzt Präsident Bush in Bedrängnis bringt? Anti-Bush-Bücher gibt es viele, manche von ihnen sind Bestseller, doch keines hat es bisher vermocht, Bush derart unter Rechtfertigungsdruck zu setzen. Amerikas Umfrageinstitute liefern je nach Couleur widersprüchliche Prognosen zur Zukunft des Präsidenten "nach Clarke". Warum gilt Clarkes Buch als politische Bombe und nicht etwa als Dokument der Besserwisserei? Natürlich schlägt hier zum einen das Gewicht des Autors zu Buche. Ein Mann, der dem Nationalen Sicherheitsrat angehörte und unter vier Präsidenten den Kampf gegen den Terror führte, einem solchen Mann räumt man als Kritiker Bushs von vornherein mehr Kredit ein als allen Michael Moores zusammen. Tatsächlich ist Clarkes zentraler Vorwurf bisher nicht entkräftet worden: Bush habe den nachhaltigen Warnungen vor Al Qaida nicht den gebotenen Stellenwert beigemessen, weil er von Anfang an auf einen Krieg gegen den Irak fixiert war. Der Alarmplan, der unter Clinton mit höchster Dringlichkeit für Al Qaida entworfen worden war, sei unter Bush als übertrieben in der Schublade gelandet. Das ist ein anderes Versagen als das systemische einer Großbürokratie, von der Regierungsmitglieder jetzt sprechen. Das ist ein personal zuschreibbares Versagen, eine bewußt gefällte Richtungsentscheidung, die sich ohne Grund von der begründeten Linie des Amtsvorgängers abkehrt. Nicht nur trifft dieser Vorwurf aufs empfindlichste Bushs Wahlkampfkampagne, in welcher er sich als umsichtiger Wachmann der Nation stilisiert. Plötzlich steht der Präsident nun als einer da, dessen persönliche Eignung für das Amt, das er bekleidet, nicht hinreicht. Nicht weil er dumm wäre, wie die wenig originelle Stupid-White-Men-These der Moores es will. Sondern weil es ihm an Distanz zu seinen eigenen politisch-ideologischen Präferenzen mangelt, denen am Ende spektakulär die nationale Sicherheit zum Opfer fällt. Das wiegt schwerer als jede Fehlentscheidung in der Sache. Denn ein Präsident, der - so Clarke - die nationale Tragödie für seine persönliche Agenda mißbraucht, ist ein Amtsinhaber, der sich im Amt hinreißen läßt und eben damit die Befähigung verwirkt, es auszuüben. Bushs Dementi ist denn auch so flau, daß es sich eher wie eine Bestätigung liest: Hätte er gewußt, daß die Terroristen mit Flugzeugen angreifen, hätte er seine Prioritäten mit Sicherheit anders gesetzt. Als habe es zur richtigen Gefahreneinschätzung der Waffe Flugzeug bedurft! Clarkes Buch hat definitiv den Kreis durchbrochen, in dem sich bislang jede Kritik am Präsidenten totzulaufen drohte. Ob man Bush die Völkerrechtswidrigkeit seines Krieges oder die fehlenden Massenvernichtungswaffen vorhielt - immer konnte das wie halsstarriges Nachkarten im Prozeß einer Evolution wirken, die sich ohnehin vollzieht, ihren höheren Sinn schon in sich trägt und jedenfalls durch keine Macht des Wortes rückgängig zu machen ist. Auch Clarkes Blick zurück kann nichts rückgängig machen. Aber nun steht wie durch ein Machtwort die Gegenwart still.
gey