Regisseur Kim Ki-duk gestorben : Leicht hat er es niemandem je gemacht
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Kim Ki-duk als Vorsitzender der Jury beim Moskauer Filmfestival im April 2019 Bild: AP
Als er zum Kino kam, brachte er extreme Erfahrungen mit. 2017 wurden Vorwürfe gegen ihn erhoben, er hätte Schauspielerinnen vergewaltigt. Verurteilt wurde er nie. Zum Tod des südkoreanischen Filmregisseurs Kim Ki-duk.
Die Bezeichnung „Skandalregisseur“ konnte im 20. Jahrhundert ziemlich lang als Ehrentitel durchgehen. In den letzten Jahren jedoch sind die einschlägigen Anwartschaften selten geworden. Der südkoreanische Filmemacher Kim Ki-duk war eine dieser Ausnahmen. Er ging mit seinen Lebensthemen Gewalt und Sexualität immer wieder an Grenzen und wurde damit zu einem der bekanntesten Filmkünstler der letzten zwanzig Jahre, ausgezeichnet mit einem Goldenen Bären bei der Berlinale 2004 (für „Samaria“, ein Drama um das Thema Prostitution) und einem Goldenen Löwen in Venedig 2012 für „Pieta“, die Geschichte eines Schuldeneintreibers, der durch eine aufopfernde Mutter von der Brutalität seines Vorgehens abgebracht wird.
Als 2017 Vorwürfe gegen Kim Ki-duk erhoben wurden, er hätte Schauspielerinnen vergewaltigt und zu ungeplanten Sexszenen gezwungen, begann man, seine Filme mit anderen Augen zu sehen. Zum Beispiel „Moebius“ (2013), eine Studie der grausamen Wege menschlicher Lust: Eine Mutter schneidet ihrem Sohn den Penis ab und verschluckt ihn. Aus diesem schockierenden Beginn ergibt sich eine Suche nach anderen, nicht genitalen Möglichkeiten, zu einem sexuellen Höhepunkt zu kommen. Die Haut als das größte Sinnesorgan des Menschen wird dabei zu einer Oberfläche, die sich vielfältig stimulieren, aber auch malträtieren lässt. Das sadomasochistische Kammerspiel zeichnete sich dadurch aus, dass Kim Ki-duk auf Sprache verzichtete. Zu hören sind nur die Laute, die die Figuren in einem suggerierten Zustand zwischen animalischer und menschlicher Natur von sich geben.
Kim Ki-duk kam in den neunziger Jahren zum Kino, und er brachte aus seiner Kindheit und Jugend extreme Erfahrungen mit: Geboren 1960 in einer abgelegenen Gegend im Norden des Landes, hatte er unter einem sehr strengen Vater zu leiden, der ihm schließlich weiteren Schulbesuch verbot. 1982 ging er zum Militär. Er geriet dort in eine Kultur härtester Repression, flüchtete erneut, dieses Mal in eine baptistische Kirchengemeinde, wo er zu malen begann. 1990 ging er nach Frankreich, schlug sich dort als Straßenkünstler durch und entdeckte das Kino. Nach seiner Rückkehr drehte er „Crocodile“, die Geschichte eines Obdachlosen, der Selbstmörder bei ihrer letzten Handlung unterstützt.
2001 wurde er weltweit bekannt mit „Address Unknown“, in dem er die ganze Nachkriegsgeschichte seines Landes, das er als amerikanische Kolonie sah, mit einer drastischen Erzählung über die Ökonomie des illegalen Handels mit Hundefleisch verband. Viele seiner Filme haben einen ausgeprägten Zug ins Kontemplative, so dass Kim Ki-duk häufig beide Klischees übers asiatische Kino zugleich erfüllte: dass es einen ausgeprägten Hang zur Transgression habe und doch zugleich spirituell sei. 2011 konnte man ihn in „Arirang – Bekenntnisse eines Filmemachers“ in einem Dokumentarfilm über sich selbst sehen, in einer immer wieder beunruhigenden Selbstentblößung als verwahrloster, gescheiterter Künstler.
Die Vorwürfe der sexuellen Gewalt gegen Kim Ki-duk wurden schließlich nicht so schlüssig bewiesen, dass es zu einer Verurteilung gekommen wäre. Nun wird er nicht mehr Stellung nehmen können. An diesem Freitag ist er in Riga in Lettland, wo er zuletzt gelebt hatte, wenige Tage vor seinem sechzigsten Geburtstag gestorben.