Migrationsdrama „Minari“ : Die Großmutter riecht nach Korea
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Skeptische Blicke beim Kartenspielen in „Minari – Wo wir Wurzeln schlagen“ Bild: AFP
Mit „Minari – Wo wir Wurzeln schlagen“ erzählt Regisseur Lee Isaac Chung von einer südkoreanischen Einwanderungsfamilie. Das Besondere des Films liegt jedoch nicht in der Darstellung äußerer Konflikte, sondern in der Beziehung zweier ungleicher Figuren.
Wenn Filmemacher sich die eigene Biografie vornehmen, kann einiges schiefgehen. Zu unreflektiert, zu verklärt, ja kitschig kann der Blick auf die eigene Vergangenheit ausfallen. Der amerikanische Regisseur Lee Isaac Chung schrammt mit „Minari – Wo wir Wurzeln schlagen“ mitunter haarscharf an dieser Falle vorbei.
Semiautobiografisch erzählt er von einer südkoreanischen Einwandererfamilie, die auf dem Land in Arkansas einen Neuanfang versucht. Der Vater will beweisen, dass er durch Gemüseanbau seine Familie ernähren kann. Die Mutter ist in der Großstadt aufgewachsen und schämt sich für den sozialen Abstieg ins Farmleben, besonders als ihre eigene Mutter aus Südkorea in ihr schlichtes Haus zieht. Der Konflikt des Ehepaars hängt über allem.
Der kleine Sohn David sucht derweil Abenteuer in der Natur, streift durch Felder, schaut der Großmutter zu, wie sie am Fluss das Minari-Kraut anbaut, eine leicht scharfe, den härtesten Bodenbedingungen trotzende sellerieartige Gemüsepflanze aus Korea (die steht als Metapher für die Familie). Probleme beim Fußfassen auf der Farm, den latenten Rassismus der Nachbarn oder das Aufeinandertreffen verschiedener Religionen im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten deutet „Minari“ nur sanft an, im Mittelpunkt bleibt das Familiendrama, das jedoch über weite Strecken schablonenartig erzählt wird.
Szenen wie Diamantensplitter auf einer Plastikkrone
Chung gestaltet den Film recht konventionell, ohne Mätzchen mit Schnitt oder Licht, zieht die Erzählung an der Chronologie der Ereignisse entlang, gießt manchmal etwas viel heitere Musik über die Bilder von den Kindern, die im Grünen spielen, oder vom Vater, der mit dem Traktor ein Feld umpflügt. Was den Film rettet, sind die Darsteller: Youn Yuh-jung bekam für ihre eigenwillige Großmutter, die lieber Karten spielt, als Kekse zu backen, zu Recht einen Oscar, und Alan Kim setzt ihr den kleinen David mit drolliger Offenherzigkeit gegenüber („Ich möchte nicht, dass Großmutter in meinem Zimmer schläft, sie riecht nach Korea“).
Es liegt an diesen beiden, dass sich in den seichten Fluss der Erzählung dann doch Szenen schleichen, die Wahrheiten übers Zwischenmenschliche preisgeben. Die stechen hervor wie echte Diamantensplitter auf einer Plastikkrone. Eine solche Szene zeigt den kleinen David, wie er nachts im Bett gesteht, dass er Angst hat vorm Sterben. Seine Eltern erinnern ihn mit jedem „Lauf nicht so schnell!“ daran, dass er ein Loch im Herzen hat und große Anstrengung sein Leben gefährdet.
Doch über das Problem sprechen sie mit ihm so wenig wie über die Emotionen, die es in ihm auslöst. So erzählt er davon also ausgerechnet der Großmutter, zu der er eigentlich kein herzliches Verhältnis hat. Und auch sie, die den Jungen sonst nur halb ernst nimmt, singt ihm nun leise im Dunkeln auf Koreanisch vom Minari-Kraut vor, bis er einschläft.
Die Szene ragt nicht heraus, weil Kamera oder Beleuchtung hier Besonderes anstellen, sondern weil sie den Protagonisten näher kommt als der Rest des Films, weil sie vom Überwinden der Barriere erzählt, die zwischen diesen beiden Menschen steht, die zwar zur gleichen Familie gehören, aber kulturell kaum unterschiedlicher sein könnten. Man wünscht sich manchmal, der Film hätte den Mut gehabt, sich ganz auf die Beziehung dieser ungleichen Figuren zu konzentrieren, statt das große Einwandererepos von der Suche nach dem amerikanischen Traum erzählen zu wollen.