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„Respect“ im Kino : Hat dieser Film Respekt?

Der Blick der Schauspielerin sieht mehr als die Kamera: Aretha Franklin (Jennifer Hudson) Bild: dpa

Kann man das Leben dieser Künstlerin so erzählen? Der Film „Respect“ über die große Soulsängerin Aretha Franklin will zu viel.

          4 Min.

          Ein Kind wird zu später Stunde zärtlich aus dem Schlaf geweckt und gefragt, ob es denn singen wolle. Die eben noch verschlafenen Augen blitzen auf, das Mädchen hüpft aus dem Bett, geht an der Hand des Vaters im Nachthemd die Treppe hinab und betritt das Wohnzimmer, in dem, wir befinden uns im Detroit der frühen Fünfzigerjahre, eine Abendgesellschaft des Baptistenpredigers C.L. Franklin feiert. Männer, Frauen, darunter berühmte Musiker wie Dinah Washington sind zugegen, und als die Zehnjährige, die alle nur Re nennen, loslegt mit „My Baby Likes To Bebop“, sind in diesen wenigen Minuten bereits die Konstanten festzumachen, die dieses Leben fortan prägen werden. Zu hören ist da diese sagenhafte Stimme, die geradewegs ins Innerste der im Raum Versammelten vordringt. Und zu sehen ist da dieses Kind, das von seinem Vater mit einforderndem Lächeln zur Schau gestellt wird. Die Gäste applaudieren.

          Sandra Kegel
          Verantwortliche Redakteurin für das Feuilleton.

          Der großartige Forest Whitaker in der Rolle von C.L. Franklin wird dieses Frieren machende Lächeln noch mehrfach aufsetzen in diesem Film. Und womöglich braucht es auf dem Weg vom Talent zur Künstlerin solche Eislaufmutter-Qualitäten am Rand des Spielfeldes. Doch stellt dieser vermeintlich harmlose Nachtgesang einer Zehnjährigen in Wahrheit einen väterlichen Übergriff dar, dem etwas Raubtierhaftes anhaftet, auch wenn sich in diesem Moment des Detroiter Salons niemand etwas dabei denkt. Es ist Res Mutter, die vom Vater getrennt lebende Gospelsängerin Barbara Franklin (Audra McDonald), die bei einem Besuch der Tochter später insistieren wird, dass Re niemals singen solle, wenn sie nicht singen wolle. „Deinem Daddy gehört deine Stimme nicht. Sie ist ein Gottesgeschenk.“

          Die Regisseurin Liesl Tommy legt so die Fährten in ihre Filmbiographie über Leben und Wirken der Soulsängerin Aretha Franklin. Jennifer Hudson in der Rolle der erwachsenen Re auf der Suche nach der eigenen Stimme macht das Beste daraus, und das ist nicht wenig. Aretha Franklin selbst hatte die Sängerin und Schauspielerin kurz vor ihrem Tod 2018 für die Rolle ausgewählt. Und Jennifer Hudson singt nicht nur, sie spielt tatsächlich auch, wenn sie die großen Franklin-Songs interpretiert, „Chain Of Fools“, „I Say A Little Prayer“, „A Natural Woman“ und natürlich „Respect“, mit Kraft und Leidenschaft und im Wissen darum und dabei ohne Skrupel etwa aus dem Grund, dass es sich dabei um einen Akt der Nachahmung handelt.

          Brav nacheinander hinweg erzählt

          Abgesehen davon, dass es in einem Film, in dem Musik die Hauptrolle spielt, empfindlich stört, wenn zu den Songs und Probenszenen zusätzlich auch noch melodramatische Geigen einsetzen, wenn es gilt, den mitunter emotionalen Plot dramatisch zu befeuern, hat diese filmische Lebenserzählung ein Problem, das schwerer wiegt. Denn erzählt wird hier von einem Leben, das so dicht, so intensiv, so vielfältig, herausragend, gezeichnet und ja eben auch widersprüchlich ist, dass es einer eigenen Idee, eines bestimmten Blickwinkels, einer Absicht oder auch nur einer Empfindung bedurft hätte, um aus der filmischen Erzählung ein Werk von eigenem Rang zu schaffen.

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