Video-Filmkritik : Zu viel Disney, zu wenig Pixar: „Ratatouille“
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Bild: Buena Vista
Im Animationsfilm „Ratatouille“ haben sich drei gefunden: die heimatlose Gourmetratte Rémy, das Feinschmeckerparadies Paris und die Haute Cuisine. Leider setzt Regisseur Brad Bird zu sehr auf die gute alte Disney-Tradition der Niedlichkeit.
Bevor „Ratatouille“ sein Küchenfeuerwerk entfesselt, entführt der Kurzfilm „Lifted“ das Publikum erst einmal auf ein anderes Nervenschlachtfeld: in die Fahrschule. Die Trickfilmer von Pixar haben es sich zur Angewohnheit gemacht, all ihren Langfilmen ein Kleinod vorauszuschicken; dieses war im Frühjahr sogar für den Oscar nominiert. „Lifted“ zeigt die verzweifelten Versuche eines spindeldürren Außerirdischen, mit der Instrumententafel seiner Fliegenden Untertasse zurechtzukommen - und die stoische Ruhe seines dickleibigen Prüfers. Leidtragender der interstellaren Ausbildung ist ein friedlicher Erdenmensch, dessen heimatliches Idyll von jedem Cineasten bereits bei Ansicht der Eingangssequenz als der Zerstörung preisgegeben identifiziert wird: Wir kennen solche bedrohlichen Kamerafahrten auf einsame Farmhäuser im Mittleren Westen aus Filmen wie „Kaltblütig“ oder „Der Soldat James Ryan“. Es ist dort einfach zu friedlich, um ungestört zu bleiben.
Man könnte nun diese Rezension problemlos mit einer Analyse von „Lifted“ beschließen, könnte auf den niedlichen Drehstuhl verweisen, auf dem der fette Prüfer sitzt, oder auf die Anleihen, die der Regiedebütant Gary Rydstrom (dessen Vergangenheit als Sound-Designer dem Filmchen positiv anzumerken ist) zur Gestaltung seiner Aliens bei dem außerirdischen Komikerduo aus der Disney-Produktion „Lilo & Stitch“ genommen hat. Aber das hieße, das Hors d'œuvre zur Hauptspeise zu machen, und so etwas kann sich keine Gastrosophie von Rang leisten. Also schnell zur Ratatouille!
Das todgeweihte Fünf-Sterne-Restaurant
So still und beschaulich es zu Beginn in „Lifted“ ist, so atemlos startet „Ratatouille“. Als Anpfiff dient die Marseillaise, und wenn man denn jemals eine amerikanische Ehrenrettung des Alten Europa (in dessen spezifisch französischer Spielart, die Bush, Rumsfeld und Konsorten besonders vergrätzt hat) erwarten durfte, dann hat sie nun einen Namen: Auguste Gusteau. Das ist ein Koch, wie Gott ihn schuf: kugelrund und kreativ. Kein Wunder, dass der Herr ihn zu sich ruft. Der Film ist noch keine Minute alt, da ist Gusteau schon tot.
Und mit ihm droht auch sein Pariser Fünf-Sterne-Restaurant zu sterben, ein Weihetempel der Gourmandise, der zuvor nur einen einzigen Feind hatte: den Gastronomiekritiker Anton Ego. Das ist ein ausgezehrter, graugesichtiger Misanthrop, dessen Erscheinen den Maîtres den Angstschweiß auf die Stirn treibt, weil er nicht das Kochen als Kunst begreift, sondern nur sein eigenes Schreiben. Aber mit dem Tod des alten Küchenchefs und dem Antritt seines früheren Assistenten Skinner als Nachfolger braucht es Egos Verdammungsurteil gar nicht mehr - das „Gusteau“ geht auch so vor die Hunde.
Zwischen „Aristocats“, „Fantasia“ und „Cars“
Bis das Restaurant auf die Ratte kommt - und das kommt so: In der französischen Provinz lebt Rémy, ein kleiner Nager mit verfeinertem Geschmackssinn. In seiner weitaus weniger wählerischen Sippe ist er deshalb ein Außenseiter. Durch ein von ihm verschuldetes Unglück verliert die Rattenschar ihr bisheriges Heim, und auf der Flucht verschlägt es unseren Helden in die Hauptstadt. Als hinter den Dächern die funkelnde Kulisse der cité des lumières aufscheint und es die Ratte schließlich in die Küche des „Gusteau“ verschlägt, haben sich drei gefunden: Rémy, Paris und die Haute Cuisine.