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Video-Filmkritik : Zu naiv: „American Gangster“

  • -Aktualisiert am

In seinem Film „American Gangster“ zeigt Ridley Scott den Handel mit Drogen von einer ganz neuen Seite. Er erzählt weniger von den Gesetzen der Straße als von denen des Marktes. Doch der intelligente, kurzweilige Film hat seine Schwächen, findet Johanna Adorján.

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          In Amerika kam dieser Film Anfang des Monats ins Kino und hat gleich am ersten Wochenende knapp fünfzig Millionen Dollar eingespielt, das ist - solche Zahlen sagen einem ja nie etwas - sehr viel, mehr als erwartet worden war. Es ist im Moment der erfolgreichste Film an den amerikanischen Kinokassen (dicht gefolgt von einem Bienenzeichentrickfilm, den Jerry Seinfeld geschrieben hat, der auch die Hauptbiene spricht).

          „American Gangster“ erzählt, wie Frank Lucas Anfang der siebziger Jahre zum wichtigsten Drogendealer Harlems wurde. Diesen Frank Lucas hat es tatsächlich gegeben, es gibt ihn noch, er erfreut sich bester Gesundheit und ist heute ein freier 77-jähriger Mann. Zusammen mit Nicky Barnes, der heute 74 ist, war er der berühmteste schwarze Drogendealer, den es je gegeben hat. Ein zweifelhafter Ruhm, die schwarze Popkultur aber hat beide zu Helden erklärt, in zahlreichen Raptexten tauchen ihre Namen auf, und der Rapper Jay-Z bringt jetzt ein ganzes Album heraus, das Frank Lucas gewidmet ist. Es ist also eine wahre amerikanische Gangstergeschichte, die der Film erzählt.

          Für einen Dealer tatsächlich eine geniale Idee

          Eigentlich aber handelt der Film weniger von den Gesetzen der Straße als von denen des Marktes. „American Gangster“ ist ein Lehrstück über Kapitalismus und insofern gleich noch einmal so amerikanisch. In zweieinhalb Stunden wird gezeigt, wie man die Konkurrenz ausschalten kann, indem man seine Ware direkt beim Hersteller bezieht. Wie man seine Ware dadurch zu Dumpingpreisen anbieten und den Markt überschwemmen kann. Es geht um eine gute Geschäftsidee, unternehmerischen Mut, die Bedeutung von Branding und cleverem Marketing. Das Produkt, so die Botschaft, muss stimmen. In diesem Fall tut es das: Es stammt aus dem asiatischen Raum, ist von allerfeinster Qualität, wirklich nicht teuer, wird unter dem Markennamen „Blue Magic“ vertrieben - und wäre es nicht ausgerechnet Heroin, man könnte wirklich nichts daran aussetzen.

          Frank Lucas hatte folgende, für einen Dealer tatsächlich geniale Idee: Anstatt wie alle anderen seine Drogen für teures Geld über die italienische Mafia zu beziehen, die als Zwischenhändler den New Yorker Markt kontrollierte, brachte er, die Gesetze der Globalisierung früh erkennend, den weltweit billigsten Produzenten in Erfahrung und suchte diesen direkt auf. Er reiste zu Zeiten des Vietnamkriegs nach Südostasien und schlug sich durch den Dschungel ins berüchtigte Goldene Dreieck durch, wo in großem Stil Schlafmohn angebaut und zu Heroin weiterverarbeitet wird. In Wahrheit dauerte diese Reise, die äußerst riskant war, über ein Jahr, der Film erzählt sie in wenigen Szenen. Lucas kaufte im Dschungel hundert Kilo reines, zu Platten gepresstes Heroin, das er durch Bestechung amerikanischer Militärs in den Särgen gefallener US-Soldaten nach Amerika schmuggelte. In Harlem verkaufte er seine Ware dann billiger als die Konkurrenz. Doppelt so rein und halb so teuer: „Blue Magic“ war ein Bombenerfolg und brachte Lucas bis zu eine Million Dollar Profit am Tag.

          Was Hollywoodstars eben so schenken

          Denzel Washington spielt Frank Lucas. Er hat sich zur Vorbereitung mehrmals mit dem echten Frank Lucas getroffen, um ihn glaubwürdig porträtieren zu können; während der Dreharbeiten war Lucas dann fast täglich am Set und erklärte dem zweifachen Oscar-Gewinner beispielsweise, wie man als Frank Lucas eine Waffe hält. Zum Dank schenkte Washington ihm nach Ende der Dreharbeiten ein Haus. Was Hollywoodstars eben so schenken, statt Blumen.

          Washington spielt die Rolle zurückgenommen, reserviert. Er hat ein gewinnendes Lächeln, und wenn er jemandem droht, tut er es leise, fast freundlich. Nur sein angestrengtes Kaugummikauen verrät die Anspannung, unter der er permanent steht. Einmal kommt es zu einem Ausbruch, als bei einer Party bei ihm zu Hause ein Gast einem anderen ins Bein schießt und Blut den schönen weißen Alpakateppich besudelt. Da kann Lucas, sonst immer ganz der kontrollierte Geschäftsmann, nicht an sich halten und haut dem Schützen die Klappe seines teuren Steinway-Flügels gleich mehrmals mit voller Wucht auf den Kopf. Eine Phantasie, die wohl jeder schon mal hatte, der Klavier spielt.

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