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Video-Filmkritik : Unbeweglich: „My Blueberry Nights“

Bild: Prokino

Wong Kar-wai hat seinen ersten englischsprachigen Film gedreht, mit den Stars Norah Jones und Jude Law. Und dann das. Freundlich gesagt, ist „My Blueberry Nights“ ein Film für Leute, die mit diesem Regisseur bisher nicht allzu viel anfangen konnten.

          5 Min.

          Sieht das nicht aus wie ein verspäteter psychedelischer Einfall, wenn eine bräunliche Masse auf einmal die Leinwand füllt und sich dann eine gelbliche Flüssigkeit langsam ausbreitet - ist das ein Lehrfilm über Farbmischung, Drogenrausch oder anatomische Besonderheiten? Auf jeden Fall wirkt es ziemlich artifiziell.

          Peter Körte
          Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

          Dass es sich dabei um eine extreme Großaufnahme von Blaubeerkuchen mit zerlaufender Sahne (oder Vanilleeis?) handelt, darauf kommt man erst, wenn man den Titel des Films liest: „My Blueberry Nights“ ist Wong Kar-wais erster englischsprachiger Film, und er spielt in Amerika, das in Wongs Filmen bisher nur als „California Dreamin'“ auftauchte, als eine ferne Welt aus Popsongs und Vorstellungen.

          Nicht völlig fehlbesetzt

          Es sieht auch nicht sehr real aus, dieses Amerika, wie Wong Kar-wei es nun zeigt. Die Innenaufnahmen hätte man alle auch in einem Studio in Hongkong drehen können, was erst mal kein Einwand ist. Ein Café, in dem Jude Law hinter der Theke steht, muss auch nicht aussehen wie das Café, in dem man beim letzten Besuch in New York war; es gibt auch keine Normen, wie ein Diner in Memphis und ein Casino in Las Vegas aussehen müssen; auch keine Vorschriften, wie Geschichten miteinander verknüpft zu sein haben. Als Wong „Chungking Express“ drehte, sollte der Film ursprünglich aus drei Episoden bestehen; es waren dann nur zwei, aus der dritten wurde „Fallen Angels“. Und weil er der Geschichte in „In the Mood for Love“ noch nicht müde war, hat er in „2046“ eine Art Prequel dazu gedreht. In „My Blueberry Nights“ gibt es nun eine Geschichte, die als Klammer funktioniert, und dazwischen zwei Episoden, die mit der Rahmenstory eher lose verbunden sind, was auch kein Fehler sein muss.

          So kommt man denn erwartungsvoll ins Café „Klyuch“ nach Brooklyn. Draußen zischt die Hochbahn im malerischsten Abendlicht vorbei, drinnen agiert der Wirt (Jude Law) wie ein Alltagspoet, der sich nicht Namen und Gesichter seiner Gäste merkt, sondern das, was sie bestellt haben; der Schlüssel aufbewahrt, mitunter über Jahre. Auch die junge Frau, die von ihrem Freund verlassen wurde, gibt ihm einen Schlüssel. Norah Jones spielt sie, die Sängerin, und man kann nicht sagen, dass sie völlig fehlbesetzt wäre; aber dass sie eine große Schauspielerin wäre, mag man auch nicht behaupten. Neben Jude Law wird das mitunter schmerzhaft sichtbar.

          Wunderschön fotografierte Standardsituationen - mehr nicht

          Und wenn er die schlafende Frau küsst, um den Sahnerest von ihren Lippen zu beseitigen, dann ist das zwar, einerseits, ein schönes Bild, doch andererseits auch das einzige Zeichen, dass zwischen den beiden etwas entstehen könnte. Gespürt hat man bis dahin: nichts. Und die beiden Kapitel, die auf diese Ballade vom traurigen Café folgen, lassen auch nur sehr mühsam erkennen, was die Off-Stimme behauptet hat: dass sie eine andere Person sein will. Sie schreibt Ansichtskarten, sie arbeitet als Kellnerin, nennt sich Lizzie in Memphis und Beth in Vegas, sie betreibt weniger Selbstfindung, als dass sie Zuschauerin würde bei anderen Schicksalen, die das Leben ihr serviert.

          So kommt David Strathairn als trinkender Cop vorbei und Rachel Weisz als seine untreue Ehefrau, aber auch sie können nicht dagegen anspielen, dass es so furchtbar ausgedacht wirkt. Sie betreten die Schauplätze wie eine Bühne, und die Dialoge haben etwas sehr Angestrengtes. Es wird nicht viel besser, wenn Natalie Portman auftaucht, diesmal in Blond: eine Kartenspielerin mit einem schweren Vaterkonflikt im Hintergrund und einem blitzenden Jaguar im Vordergrund. Die Ballade wird zum Roadmovie, das sich allerdings nicht einfach von Punkt zu Punkt bewegt, sondern so wirkt, als wüssten die Protagonisten nur zu genau, dass sie sich gerade in einem Roadmovie befinden. Da sind keine Blicke, welche die Leinwand entzünden könnten, da ist kein Knistern, keine Spannung, da sind nur wunderschön fotografierte Standardsituationen.

          Was sonst bei Wong Kar-wai ganz von selbst passiert

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