Video-Filmkritik : Ohne Dramatik: Harry Potter 7.1
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Bild: Warner
Filmisch kommt der erste Teil des letzten „Harry Potter“-Bandes nicht vom Fleck. In elegischen Bildern wird ein Land gezeigt, das aussieht, als müsse es sich zu Tode sparen.
Vielleicht hätte man aus „Harry Potter“ besser eine Fernsehserie von sieben Staffeln als eine Filmreihe mit siebeneinhalb Teilen gemacht. Denn die Filme müssen, um die Handlung in jeweils zweieinhalb Stunden einigermaßen auf die Reihe zu kriegen, notwendig an all dem sparen, was die Bücher von Joanne K. Rowling vor allem ausmacht: dem Detailreichtum, der die magische Parallelwelt von „Harry Potter“ so reizvoll und glaubhaft macht. Und obwohl sie bereits vieles davon weglassen, müssen die Filme trotzdem einen Kompromiss nach dem anderen machen: weil die Handlung, selbst stark vereinfacht, noch immer komplizierter bleibt als etwa die eines „James Bond“, des anderen urbritischen Actionhelden.
Nun ist Vereinfachung im Kino ja nichts grundsätzliches Schlechtes, jedenfalls nicht, wenn es dafür rasante Stunts und Spezialeffekte wie bei „James Bond“ gibt. Auf mindestens eine solche Szene, mit der das große Kino dem heimischen DVD-Format strahlend die Zähne zeigt, konnte man sich bisher auch bei „Harry Potter“ verlassen. Aber was diesmal in der ersten Viertelstunde an Verfolgungsjagden geboten wird, kommt über den netten Klamauk von „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ nicht wirklich hinaus.
Aufwärmphase für das eigentliche Finale
Aber Geduld, wir befinden uns schließlich nur im ersten Teil des letzten Bandes, in der Aufwärmphase zum eigentlichen Finale, das dann Mitte Juli Teil II von „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ bieten soll. Leider merkt man dem Film seine Überbrückungsfunktion deutlich an. In elegischen Kameraeinstellungen schwelgend, unternimmt er eine Reise durch die Düsternis, in die der Aufstieg von Lord Voldemort das ganze Land gestürzt hat, anstatt den immer näher kommenden, alles entscheidenden Kampf zwischen Harry und Voldemort vorzubereiten.
Ron ist irgendwann auf ihrer unfreiwilligen Campingtour quer durch Großbritannien so frustriert über Harrys Planlosigkeit, dass er schließlich im Zorn davonstürmt - um erst Wochen, ja Monate später zurückzukehren. Diese Möglichkeit haben die Zuschauer nicht. Wir bleiben im Zelt - und hoffen, dass wenigstens der schlauen Hermine endlich bald ein Licht aufgeht.
Abweichungen von der Vorlage
Von Anfang an waren die „Harry Potter“-Filme gemacht für den Millionenkreis der Eingeweihten, der Leser. Je weiter die Serie voranschreitet, desto aufwendiger wäre es, zentrale Zusammenhänge, Bedeutungen und Zaubersprüche erklären zu wollen. Und weil sie, ganz wie die großen Fernsehserien, das Wissen der Zuschauer nicht nur voraussetzen, sondern es sogar einkalkulieren, dürfen sie sich die Freiheit nehmen, ab und an von der Vorlage abzuweichen.
Diesmal aber nutzen Regisseur David Yates und Drehbuchautor Steve Kloves, die schon bei den beiden vorigen Filmen der Reihe inspiriert zusammengearbeitet haben, diese Freiheit nicht. Sie erfinden beispielsweise eine - ganz schöne, aber eindeutig zu lange - Szene, in der Harry und Hermine im Zelt zu Nick Caves Ode „O Children“ tanzen, vernachlässigen aber zentrale Scharniere der Handlung - sei es beim überraschenden Besuch des Zaubereiministers, der den drei Freunden seltsame Erbstücke von Dumbledore aushändigt, oder beim Aufenthalt des Dreiergespanns in Grimauld Place, bei dem der Hauself Kreacher eine zentrale Rolle spielen müsste.
Jeder Muggel würde googeln
Stattdessen zeigen sie uns in größter Ausführlichkeit die ziellose Flucht der Freunde durch ein tristes, ödes Land, aus dem die Dementoren alle Lebensfreude gesaugt haben. Statt des fröhlichen und unaufdringlichen Patriotismus, der die „Harry Potter“-Filme in ihrer gloriosen Britishness bislang immer durchwehte, dürften die dortigen Zuschauer diesmal eher ein Land gespiegelt sehen, das sich zu Tode sparen muss.
Da es erstmals an Dramatik fehlt, hat man Zeit, die Gedanken schweifen zu lassen, während man Harry, Ron und Hermine bei der im Grunde vor allem mühsam anmutenden Suche nach den Horkruxen zuschaut. In diesen magischen Objekten nämlich hat der fiese Lord Voldemort (Ralph Fiennes), an dessen hingeschminkt schlitznasigen Anblick man sich mittlerweile auch gewöhnt hat, seine zerstückelte Seele versteckt: Um ihn zu besiegen, muss Harry erst die Horkruxe finden und zerstören.
Das dauert, und unwillkürlich fragt man sich, wieso die Freunde in ihrer Ratlosigkeit die „Heiligtümer des Todes“ nicht einfach googeln, wie das jeder Muggel täte. Dann ginge alles etwas flotter. Aber auch, wenn der kostspielige technische Aufwand des Films der kargen Hilfsmitteln spottet, die den jungen Zauberern in ihrem Pfadfinderzelt zur Verfügung stehen, und es darüber hinaus diesmal nichts zu lachen gibt: Daniel Radcliffe, Rupert Grint und Emma Watson machen ihre Sache gewohnt gut, und schließlich und endlich ist es nunmal „Harry Potter“. Also: anschauen und weiter warten aufs richtige Finale in acht Monaten.