Video-Filmkritik : Lieben und Schweben: „Zwei Tage in Paris“
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Filmkritik „Zwei Tage in Paris” Bild: 3L
Godard ließ sie schweben, Schlöndorff zeigte ihr romantisches Gesicht, nun führt sie endlich selbst Regie: Julie Delpy, in ihrem weisen, heiteren Debüt „Zwei Tage in Paris“ - ein großes Rededuell über die Stolpersteine der Liebe.
Sie war schon immer anders als ihre französischen Schauspielkolleginnen, was vor allem an ihrem Gesicht liegt, von dem Max Frisch sagte, als er Schlöndorffs „Homo faber“ sah, dass es „das Gesicht einer großen deutschen Romantikerin“ sei und ihr Lächeln das einer Sphinx. In bestimmtem Licht wirkt ihr Teint auf der Leinwand allerdings so durchscheinend, dass man den Eindruck hat, direkt in diese Sphinx hineinsehen, sie also doch durchdringen zu können. Julie Delpy war also schon immer eine Art Elfenwesen, das fing in Godards „Détective“ an, wo sie mit fünfzehn im weißen Kleid und mit wehendem blondem Haar Klarinette spielend durchs Hotelzimmer hüpfte und ab und zu philosophische Sätze sagte. Sie benahm sich aber immer weniger wie eine Elfe. Oder besser: Sie benahm sich wie eine unkontrollierte, ein bisschen neurotische und deshalb sehr komische Elfe mit ausgeprägtem Rededrang.

Verantwortliche Redakteurin für das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.
Das ist das Schöne an Julie Delpy: Sie kommt wie ein Traumwesen daher, ist in ihren Rollen dann aber entweder extrem kurzsichtig, schreit Taxifahrer an oder fängt, unglücklich über ihr desaströses Liebesleben, schnell an zu heulen. Sie schwebt - aber sie weiß, wie es ist, hart zu fallen.
Die Französin und der Amerikaner
Jetzt hat sie ihren ersten eigenen langen Film gemacht: „2 Tage in Paris“. Sie hat das Drehbuch geschrieben, Regie geführt, neben Adam Goldberg eine der Hauptrollen gespielt, sich im Schneideraum die Technik zeigen lassen und bei der Filmmusik selbst mitgesungen. Julie Delpy mag sich nicht darauf verlassen, bloß das Geschöpf von anderen zu sein. Sie nimmt die Dinge gern selbst in die Hand.
Vor fünfzehn Jahren, da war sie Anfang zwanzig, hatte mit Godard, Leos Carax und Bertrand Tavernier gedreht, bis in Frankreich die Angebote plötzlich ausblieben und sie im Ausland spielte, in Agnieszka Hollands „Hitlerjunge Salomon“ oder Schlöndorffs „Homo faber“; vor fünfzehn Jahren zog sie nach Amerika. Sie besuchte einen Regiekurs an der New York University und zeigte ihren Abschlussfilm „Blah Blah Blah“ auf dem Sundance-Festival. Seither hat sie, neben ihren Filmrollen, immer wieder Drehbücher geschrieben, oft für die Schublade. Und wenn man heute „Before Sunset“ wiedersieht, Richard Linklaters Fortsetzung von „Before Sunrise“, in welchem sie, die Französin, auf Ethan Hawke, den Amerikaner, traf, um einen ganzen Film lang nichts anderes zu tun, als durch Wien zu spazieren und zu reden, dann muss man sich vor allem vorstellen, wie Delpy, Hawke und Linklater zuvor endlos viele Stunden gemeinsam in einem Arbeitszimmer verbrachten, um die „Before Sunset“-Dialoge zu schreiben. Die Französin und der Amerikaner, die durch Wien gelaufen waren und ein Liebespaar hätten werden können, trafen sich neun Jahre später in Paris wieder. Jeder der drei Drehbuchschreiber brachte seine eigenen Erfahrungen mit und in den Film hinein. Und in gewisser Weise hat Julie Delpy den Faden von damals jetzt allein noch ein bisschen weiterverfolgt.
Prüfung „Romantikurlaub“
In „2 Tage in Paris“ nämlich, den sie dieses Jahr auf der Berlinale präsentiert hat und der diese Woche in die Kinos kommt, geht es wieder um genau diese Konstellation: um eine Französin und einen Amerikaner, beide Mitte dreißig. Nur dass es dabei sehr viel turbulenter und auch sehr viel lustiger zugeht als in Linklaters romantischer Erzählung. Die beiden treffen sich nicht, um Überlegungen darüber anzustellen, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie es denn gemeinsam verbracht, sie sich nicht verpasst hätten. Die Frage ist eine andere: Wie übersteht ein Liebespaar, das gerade zwei Jahre zusammen ist, einen gemeinsamen Urlaub, ohne dass das Ganze im totalen Chaos endet? Sogenannte Romantikurlaube sind wie Prüfungen, das weiß jeder. Wenn dabei dann auch noch zwei Kulturen aufeinanderknallen, sind diese Prüfungen manchmal sehr schwer zu bestehen.