Video-Filmkritik : Wo, bitte, geht’s denn hier zum Abgrund?
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Bild: Senator
„A Most Wanted Man“ ist Anton Corbijns Verfilmung von John Le Carrés Thriller „Marionetten“. Und der Abschied von Philip Seymour Hoffman in einer seiner letzten großen Rollen.
Ob das nun wirklich der allerletzte Film ist, den Philip Seymour Hoffman gedreht hat, bevor er am 2. Februar dieses Jahres im Alter von nur 46 Jahren starb, das spielt angesichts des Verlusts keine Rolle. Es ist ein Glück, dass es diesen Film gibt, und deswegen ist auch nicht so wichtig, dass Hoffman natürlich einen großartigeren Abschied verdient gehabt hätte.
Er ist das Gravitationszentrum von „A Most Wanted Man“, der Verfilmung von John Le Carrés Thriller „Marionetten“; seine Hartnäckigkeit, seine Hoffnung, seine Verzweiflung, seine Wut sind es, die den Film vorantreiben, auch wenn sein Gang so schwerfällig und müde wirkt. Als alternder, heruntergekommener Spion, der zu viel raucht und zu viel trinkt, der sich mit allen möglichen Leuten anlegt, aber seine Mitarbeiter anständig behandelt, der mit selbstzerstörerischem Starrsinn seinen Weg verfolgt, als Günther Bachmann ist Hoffman auf der Höhe seines Könnens.
Antiterrorspezialist mit Jagdinstinkt
Bachmann ist Leiter einer Antiterroreinheit in Hamburg, er liegt im Clinch mit dem Verfassungsschutz und mit den Amerikanern. Er weigert sich, einen verdächtigen jungen Tschetschenen festzunehmen, der wie aus dem Nichts in Hamburg aufgetaucht ist und das Erbe seines Vaters antreten will, das in einer Privatbank liegt. „Lipizzanerkonten“ ist der schöne Ausdruck für dieses Vermögen, benannt nach den Pferden, die dunkel zur Welt kommen, um allmählich zu Schimmeln zu werden. Bachmann hat den Jagdinstinkt und auch die Strategie, in welcher der junge Mann nur als Köder dient, um einen scheinbar unbescholtenen, moderaten muslimischen Gelehrten zu überführen.
Wie dieser Plan Gestalt annimmt und was seine Ausführung bedroht, das ist, wie immer bei Le Carré, makellos konstruiert. Da wird kein Plot umständlich ausbuchstabiert, da hat auch kein Fernsehredakteur eine Erklärszene verlangt. Wie in einem Puzzle kommen Steine zusammen, die einander ähneln und deren genauer Platz sich nicht auf den ersten Blick erschließt. Für dieses Verfahren ist ein Regisseur mit einem Hang zum Minimalismus wie Anton Corbijn eine sinnvolle Wahl. Mitunter inszeniert der gelernte Fotograf Corbijn allerdings die Schauplätze etwas zu kunstvoll, als wollte er City Design betreiben und sich unbedingt an eher abstrakten Motiven versuchen - aber er zeigt dabei eben auch, welch ein großartiger Drehort das alte und das neue Hamburg noch immer oder jetzt wieder ist.
Hochkarätige Besetzung der Nebenrollen
Dass die Charaktere außer Bachmann oft nur wie Skizzen wirken, vor allem die weiblichen, das war schon im Roman so. Corbijn hat kaum etwas unternommen, um das zu ändern, was mehr als bedauerlich ist, wenn man mit Schauspielern wie Robin Wright (als amerikanische Agentin) und Willem Dafoe (als Bankier) arbeiten kann oder mit Nina Hoss und Daniel Brühl (als Bachmanns Mitarbeiter)
So schaut man zu, wie die Geheimdienste einander belauern, wie der Film altmodisch-langatmig, bisweilen dann auch etwas langweilig und mit (zumindest in der deutschen Fassung) sehr schlichten Dialogen auf den Showdown zusteuert. Man hat ja Hoffmans Bachmann, an den man sich halten kann, und man hat genug Zeit festzustellen, dass die Geschichte sich auch aus der Konstellation der Fortbewegungsmittel entwickeln ließe. Bachmanns solider, schwerfälliger, aber unverwüstlicher Mercedes 450 neben dem vereinsamenden schwarzen Mercedes-Zweisitzer des Bankiers, der schwarze Alfa Romeo, den man Bachmanns Assistentin Erna (Nina Hoss) mit ihren blaustrümpfigen Blusen nicht zugetraut hätte, dazu das Fahrrad der naiven jungen Anwältin (Rachel McAdams), die von vornherein abgehängt wird. Und am Ende kommen klobige schwarze SUVs.
Dann knallt Bachmann in der letzten Einstellung die Tür seines Mercedes zu, schließt ab, die Kamera verharrt noch auf dem Rücksitz, als er längst aus dem Blickfeld verschwunden ist. Das ist ein gutes Bild dafür, wie sehr uns Philip Seymour Hoffman jetzt schon fehlt.