Video-Filmkritik : Die alten Orte suchen uns heim
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Es gibt Orte, die älter sind als wir
Das Regieduo Kevin Kölsch und Dennis Widmyer hat sich in ihrer Neuverfilmung des bekannten Gruselstoffs bewusst abgesetzt von den 1989 präsentierten und 1992 fortgesetzten Film-Versionen Mary Lamberts, die sich visuell und dramaturgisch bewusst an den EC-Comic-Horrorklassikern orientierte, die zwar zu den Quellen von Kings Schaffen gehören, aber eben nicht die ganze Tiefe und Wucht seiner Neukonzeption von „American Gothic“ aufschlüsseln können. King lässt sich verfilmen, indem man zeigt, was er schreibt, aber auch anders: indem man deutet, was er meint. Was wir also 2019 sehen, ist kein effektüberladener Schockerstreifen mehr, sondern ein präzise auf Stimmung und Dramaturgie konzentrierter Horror-Realismus, der seine Genreherkunft zwar nicht verleugnet, aber doch mit neuen Mitteln versucht, Spannung und Bedeutung zu erzeugen. So kommen neben den klassischen Gruselingredienzien Vollmond, knarrende Tür, flackerndes Kellerlicht und Nebel über dem Moor auch Drohnenflüge und 360-Grad-Kamerafahrten zum Einsatz, und es wird zwischen zwei Schockmomenten ausführlich das in schaurige Zweifel gestürzte Alltagsleben der Familie gezeigt.
Den beiden Regisseuren gelingt auf diese Weise, was immer schon das Beste dieses Genrekinos war: Nicht allein die Schreckenstat, sondern vor allem die Ahnung von ihr zu inszenieren. Lange bevor Ellie ihrer auferstandenen Katze auf dem Highway entgegeneilt, zeigt die Kamera im Gegenschnitt einen heraneilenden Truck. Im Original stirbt der kleine Sohn, hier ist es der Tod der Tochter, der den ungläubigen Vater in Verzweiflung stürzt. Und plötzlich ist er sehr an jenem geheimen Ort interessiert, an dem er zusammen mit dem Nachbarn die Katze begraben hat, die jetzt wieder höchst lebendig vor ihm sitzt. Wie kann das sein, wie kann man das erklären, ruft er erstaunt. Und der bärtige Nachbar flüstert: „Es gibt Orte, die älter sind als wir.“ Wer im verzauberten Indianer-Boden tief im Wald begraben wird, wacht wieder auf, aber ist nicht mehr derselbe.
Zurückgekommen, aber von woher?
Der Film legt auch in seinen schockierenden Momenten (Augen zu bei der Achillesferse!) eine genreuntypische Zurückhaltung an den Tag, walzt den Horror nicht platt aus. Dass er jedoch keine „Shining“-hafte Psychothriller-Qualität erreicht, liegt vor allem daran, dass er sich zu wenig für seine Figuren interessiert. Jason Clarke und Amy Seimetz spielen das Elternpaar gekonnt erschreckt, aber fern jeder existentiellen Angst. Allein Jeté Laurence als Tochter umgibt von Anfang an eine Aura eigenwilliger Unberechenbarkeit und bevorstehender Gefahr.
Für den Kenner hält „Friedhof der Kuscheltiere“ Anspielungen auf Hitchcock bereit (aufgerissene Augen in Großaufnahme, blitzendes Messer im „Psycho“- haften Gegenschnitt), für den Grusel-Gourmet tödliche Abstürze in einen Essenslift-Schacht. Vor allem ist der Film für den naiven, genrefremden Zuschauer gemacht. Der kann über lange Strecken nur dem Plot folgen und sich in Erwartung der nächsten Grausamkeit bannen lassen. Oder er kann in die tieferen Ebenen des Geschehens vordringen, dorthin, wo Erde zu Erde und Staub zu Staub wird und dabei nicht gestört werden will. Wenn der Tod der Letzte ist, den wir als überlegen anerkennen, können die künstlich Wiederbelebten nicht unsere Freunde sein. „Du bist zurückgekommen“, ruft der Vater seiner zombiehaft entstellten Tochter erleichtert entgegen. „Zurück von woher?“, erwidert sie mit eisiger Stimme im erdverschmutzten Ballerina-Kleid. Und dann steht sie oben mit blutunterlaufenen Augen am Fenster, und der Nachbar fängt an zu rennen.