„Ocean’s Eight“ im Kino : Wir sind überall, ihr habt es nur noch nicht gemerkt
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Bild: Warner Brothers
Noch nie hat jemand das deutsche Wort „Damentoilette“ so kraftvoll und streitlustig ausgesprochen wie Sandra Bullock als Juwelendiebin in „Ocean’s Eight“. Sind Frauen anders kriminell als Männer?
Weil Hollywoodfilme nie nur irgendein Zeug erzählen, sondern immer auch etablierte oder neu behauptete Berühmtheiten in Situationen kleben, in denen sie so gut aussehen, dass man sich beim Zuschauen selbst Zeug darüber erzählen will, wie diese Situationen wohl zustande gekommen sind und was aus ihnen folgt, waren Formeln wie „Humphrey Bogart raucht“ oder „Steve McQueen fährt Auto“ stets legitime Hollywoodfilmideen. Heute gilt das auch für „Cate Blanchett schnickt am Feuerzeug“, „Rihanna lackiert sich die Fußnägel“, „Helena Bonham Carter sabbelt Edelfranzösisch“ oder „Sandra Bullock heuchelt Reue“. Diese vier, und noch einige vom gleichen Kaliber, gibt’s jetzt auf einem Haufen namens „Ocean’s Eight“.
Der Titel verrät Filmbewertungsfachkräften, die immer alles viel zu schnell verstehen, dass es sich um einen Ableger der „Ocean’s“-Trilogie handeln muss, deren drei Teile „Ocean’s Eleven“ (2001), „Ocean’s Twelve“ (2004) und „Ocean’s Thirteen“ (2007) einer Vorlage von 1960 nachempfunden waren, die schon so hieß wie der Trilogiegrundstein und in der das aus Herrenduftmarkennamen wie Frank Sinatra, Sammy Davis Jr. und Dean Martin komponierte sogenannte Rat Pack der Welt die raubtierhafte Eleganz homosozialer Bandenkriminalität unter Schlipsbrüdern vortanzen durfte.
Bewusstes Unterlaufen von Erwartungen
In „Ocean’s Eight“ steht erstmals eine diebische Frauenvereinigung statt der üblichen Jungsclique (erst rund um Sinatra, dann um George Clooney) im Mittelpunkt. Dass es nicht etwa, der bisherigen Überbietungslogik der Reihe zuliebe, fünfzehn Ladys sind, sondern volle drei Subjekte weniger als beim Urfilm, schlägt den Grundton an, der das Ding durchwaltet: bewusstes Unterlaufen von Erwartungen mittels tarnungshalber ausgestellter scheinbarer Defizite zum Zweck der anschließenden Komplettvernichtung des wehrlosen Gegners. Denn Frauen aller Weltregionen wissen längst, was Milliarden von chinesischen Männern erst der schlaue Deng Xiaoping beibringen musste: „Verbirg deine Kraft, und warte auf deinen Moment.“
Wer die mehr als zehn Jahre alte Clooney-und-Co.-Trilogie für den Maßstab hält, an dem „Ocean’s 8“ sich beweisen muss, versteht das Wichtigste nicht: Die Annahme, Frauenfertigkeiten und Frauenfrechheiten seien, da sie aus historischen Gründen meistens erst nach vergleichbaren männlichen Taten zum Zuge kommen, von vornherein wesenhaft sekundär, abgeleitet, minderwertig, kann diesem Thrillerchen schon deshalb nichts anhaben, weil es sie mit treuherzigem Augenaufschlag, aber mitleidlos amüsiertem Blick unter die Juwelierslupe legt und dann so flink und komisch wie kühl methodisch kaputtfilmt. Sandra Bullock als Danny Oceans Schwester Debbie flicht, damit dies klappt, als Mistress of Proceedings in „Ocean’s 8“ einen sehr hübschen Kranz aus hungrigen jungen Talenten (wer von Mindy Kaling und Nora „Awkwafina“ Lum noch nichts weiß, ist Medienmuffel und mit neunundneunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit ein Kerl), ausgeschlafenen Oberligakolleginnen (Blanchett, Bonham Carter) und wunderbaren Veteranninen (die Auftritte von Mary Louise Wilson, Dana Ivey und Elizabeth Ashley beschämen eine Industrie, die ihre erfahreneren Damen notorisch unterschätzt).
Debbies Plan, mit diesem Personal im Rücken die Schmuckfirma Cartier zu beklauen, ist zu keinem Zeitpunkt ernstlich gefährdet, schon weil das wacklige Restpatriarchat einfach nicht wach genug ist, solche Frauen aufzuhalten: Als Debbie die Warenzirkulationsabzweigungsgroßverbrecherin Tammy, verkörpert von Sarah Paulson, skeptisch fragt, wie diese eigentlich ihrem kleinbürgerlichen Ehemann das viele Diebesgut in der Garage erklärt, verhehlt die Hehlerin ihre Geringschätzung des arglosen Gatten nicht, indem sie mit der schäbigen Gegenfrage antwortet: „Ebay?“