Video-Filmkritik : Das bewegte Gesamtbild des Superheldenkinos
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Bild: Disney
Keiner verfilmt das Übernatürliche wie Joss Whedon. Zwischen zwei zerlegten Städten und viel transhumanem Klimbim findet in seinem Meisterwerk „Avengers: Age of Ultron“ auch das Romantische und Erotische seinen Platz.
Monster, Götter, Wunder: Das Jahr 2015 verspricht Leuten viel, die im Kino gern sehen, was es nicht gibt. Die aufwendigsten Filme der Gattung sind dabei sämtlich Fortsetzungen oder Rekonfigurationen etablierter Serien. Sie verraten das in ihren Titeln, durch Ergänzungen und Erweiterungen bekannter Marken, mit oder ohne präzisierende Doppelpunkte.
„Star Wars Episode VII: The Force Awakens“ von JJ Abrams wird am meisten Geld verdienen, „Mad Max: Fury Road“ von George Miller am meisten Tempo machen, „Terminator: Genisys“ (manchmal ohne Doppelpunkt geschrieben) von Alan Taylor schlägt wohl die größte Menge Zeug zu Klump.
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Durchtriebenere Liebe zum Genre und größere Sorgfalt mitten im Bombast aber als bei „Avengers: Age of Ultron“ von Joss Whedon wird man nirgends finden. Denn Whedons Gespür für Momente, die alles zusammenfassen, was man von Spektakeldramen über außergewöhnliche Gestalten in extrem unglaubwürdigen Situationen erwartet, wenn man den Unglauben ans Unmögliche für zwei Stunden abstreifen will, schenkt ihm alle paar Minuten Szenen, an denen man künftige Kader für die Arbeit im Genre noch jahrzehntelang ausbilden wird – diese zum Beispiel:
Wanda Maximoff kauert in einer Bruchbude, die unter Artilleriebeschuss steht. Umzingelt von Mord und Totschlag tut sie sich leid, denn sie trägt Mitschuld am Gemetzel. Ein Held ist bei ihr; er muss gleich wieder raus und vielleicht sterben. Der Mann spricht sie an: Hören Sie mal zu, junge Dame, draußen toben Kampfroboter, ich habe nur Pfeil und Bogen dabei, und Sie schämen sich hier für Ihre Komplizenschaft mit dem Bösen! Mir ist Ihr Kummer egal, ich muss denen helfen, die man noch retten kann, und die anderen wenigstens rächen.
Hawkeye, der hier spricht, ist nämlich ein Rächer, „an Avenger“. Deshalb stellt er Wanda vor die Wahl: Sie kann sich verstecken und mit dem Schicksal hadern, oder sie nimmt den aussichtslosen Kampf auf; und: „the moment you step out that door, you’re an Avenger.“ Spricht’s und geht ins Verderben.
Die Kamera zeigt die Bruchbude von außen. Dann tritt Wanda heraus. Und nicht nur der Fan im Kino, sondern der Film selbst freut sich spürbar darüber, wie hier eine Kriegerhexe, lodernd in Scharlach, das Schlachtfeld in Besitz nimmt.
Das hätte auch ganz anders ausgehen können. Denn unter Leuten, denen etwas an den Comics liegt, die hier verfilmt werden, und die deshalb jeden Schritt beobachten, den die auf dem Superheldenkinosektor inzwischen markt- und stimmungsbeherrschenden Marvel Studios unternehmen, wurde zunächst gemurrt, als sie erfuhren, dass die Schauspielerin Elizabeth Olsen sich in „Avengers: Age of Ultron“ als Wanda Maximoff vor die Kamera trauen würde.
Ein Celebrity-Gör als „Queen of the Avengers“, wie ein Fan-Ehrenname der Figur sie nennt? Joss Whedon hat sich die Anerkennung, die Publikum und Kritik ihm inzwischen zollen, unter anderem damit verdient, dass seine Fantasy-, Science-fiction- und Horrorschöpfungen für Film, Fernsehen und Comic etwas leisten, das in diesen Gattungen immer noch selten ist: Sie nehmen Frauenfiguren ernst und vergeuden sie nicht als Dekor.