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„Tom & Jerry“ im Kino : Was diese beiden einander antun, kann man kaum mit ansehen

Singt er im Regen? O nein, Tom ist auf Verfolgungsjagd nach Jerry. Aber seine Balanciertechnik hoch über den Straßen von Manhattan ist nicht zu empfehlen. Bild: Warner Bros.

Gezeichnet im doppelten Sinn: Die Trickfiguren „Tom & Jerry“ bekommen einen Spielfilm, in dem sie neben realen Darstellern agieren. Das ist leider gar nicht gut gemacht.

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          Nachdem 1932 ein eigener Oscar für Zeichentrickfilme geschaffen worden war, hieß der Gewinner in den ersten elf Jahren zehn Mal Walt Disney. Dann kam Fred Quimby. Er gewann im folgenden Jahrzehnt sieben Mal. Und anders als Disney immer mit denselben Figuren. Deren Namen lauteten Tom und Jerry, eine Katze und eine Maus. Sie fochten auf der Leinwand einen archetypischen Konflikt aus, aber anders als bei Micky Maus und Kater Karlo war der Ausgang nicht vor vorneherein klar. Die beiden setzten sich gegenseitig dermaßen zu, dass Gewinnen oder Verlieren relativ wirkten. Und auch wenn meist Jerry am Ende noch aufrecht stand, gehörten Tom die größeren Sympathien des Publikums. Mit dieser Katze hatte man Mitleid; das wäre bei Kater Karlo nie passiert.

          Andreas Platthaus
          Verantwortlicher Redakteur für Literatur und literarisches Leben.

          Aus der Ambivalenz des Antagonismus von „Tom & Jerry“ resultierte der Reiz dieser schließlich mehr als 160 Kurzfilme umfassenden Animationsreihe, die seit den sechziger Jahren fürs Kino nur noch sporadisch fortgeführt worden ist. Sie überlebte im Fernsehen, und das weltweit. In Deutschland steuerte niemand Geringerer als Udo Jürgens eines seiner Lieder als Titelmelodie für „Tom & Jerry“ bei: „Vielen Dank für die Blumen“. Und Woche für Woche amüsierten sich im ZDF Millionen Zuschauer über Episoden, die man kaum anders denn als Massaker ohne Todesfolgen bezeichnen konnte. Maus- und Katzenkörper wurden systematisch malträtiert und deformiert, doch es genierte niemanden. Sowohl in den Vereinigten Staaten als auch hierzulande ist der brutale Spaß weiterhin zu sehen. Da konnte es nicht ausbleiben, dass die Rechteinhaber von Warner Brothers sich etwas Größere vorstellten: einen Kinofilm. Hundert Minuten „Tom & Jerry“.

          Das wäre mit echten Elefanten schwer zu drehen gewesen

          Allerdings als Mischung als Real- und Trickfilm. Die beiden Titelhelden sind – in jeder Hinsicht – gezeichnet, das New York, in dem sie aufeinandertreffen, ist echt. Oder sagen wir: nicht gezeichnet, aber mindestens so klischeegesättigt porträtiert wie Tom und Jerry selbst. Wir machen’s kurz: Eine junge Frau (Chloë Grace Moretz) sucht einen Job und schwindelt sich als angeblich erfahrene Event-Managerin in ein Luxushotel ein, das gerade eine Prominentenhochzeit auszurichten hat, gerät dort aber in Rivalität mit einem bereits länger beschäftigten Kollegen (Michael Peña). Unglücklicherweise ist Jerry gerade in die Zwischenwände eingezogen, und zur Bekämpfung der rufschädigenden Mäuseplage holt sich die naive Dame Tom ins Haus. Das geht nicht gut.

          Es ist leider auch nicht gut gemacht. Immerhin ist der Regisseur Tim Story, der vor zwei Jahren das Kassendebakel des jüngsten Remakes von „Shaft“ verantwortete, so konsequent, alle in „Tom & Jerry“ auftretenden Tiere animieren zu lassen, und dazu gehören neben der Bulldogge Spike als klassischer Nemesis von Tom auch noch etliche Tauben und vor allem zwei Elefanten, die bei der Hochzeit zum Einsatz kommen und das Gebäude fast zum Einsturz bringen. Das wäre mit echten Elefanten schwer zu drehen gewesen.

          Aber durch die Beschränkung von Tom und Jerry auf Nebenrollen in ihrem eigenen Film fällt die Diskrepanz zwischen den Kurzfilmen und dem langen Kino­vehikel besonders auf. Wie üblich sprechen beide Figuren kein Wort – nur singen konnte Tom schon immer und tut es auch hier –, während Moretz und Peña entschieden zu viel Text zugestanden bekommen. Und wer die Vergangenheit der beiden Trickfilmfiguren nicht kennt, vor allem nicht das natürlich oscargekrönte Meisterwerk „The Cat Concerto“ von 1946, der dürfte Toms musikalische Begabung für einen reichlich überdrehten Drehbucheinfall halten. Es ist ja schön, dass Story Traditionsbewusstsein vorführt, aber glaubt er wirklich, mit seiner kindischen Geschichte das entsprechende Publikum zu erreichen? Für deutsche Zuschauer schauerlich: Annett Louisan wurde für die Synchronfassung dazu verpflichtet, Udo Jürgens’ „Vielen Dank für die Blumen“ neu zu interpretieren. Nein danke.

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