Roboter-Thriller „Ex Machina“ : Streichelstromkurzschluss im Kino
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Caleb (Domhnall Gleeson) dient seinem Chef als Versuchskaninchen. Bild: AP
Zwischen Gewalt und Erkenntnis: In Alex Garlands neuem Film geht es zwar auch um die Frage nach Persönlichkeit und Identität, aber dass Sex und Gewalt ebenfalls eine Rolle spielen, wird nicht verheimlicht.
Dass Filme Frauen häufig zurechtmachen, als wären sie Dinge, ist elend, banal und nicht neu. Dass Filme Dinge manchmal zurechtmachen, als wären sie Frauen, kennt man auch schon; die Maßstäbe in diesem Fach haben Fritz Langs „Metropolis“ (1927) und Chris Cunninghams Videoclip zu Björks „All is full of Love“ (1999) gesetzt.
Der Regisseur und Drehbuchautor Alex Garland stellt der Welt ein neues Modell aus dieser Fertigungsreihe vor. Seine Schöpfung heißt Ava. Wenn sie sich samtweiche Haut anzieht, dann muss das gar nicht ihre eigene sein. Es geschieht zum Schutz; Avas atmende Poren ahnen gleich, dass die Welt keine Einladung ist, dem Schöpfer zu danken. Wenn sie sich als Person fühlen will, muss sie den Schauder, den sie spürt, mit Kleidung abdämpfen. Wo Menschen begehrt und geliebt werden wollen, legen sie irgendwann Stoffe und Leder ab; bei Ava ist es umgekehrt.
Das Gesicht eine kommerzielle Idee, die Persönlichkeit ein Softwareprodukt
Die Automatin traut uns nicht, sie merkt schnell, dass wir viele abwegige Vorstellungen darüber im Kopf spazieren tragen, wer wir sind und warum wir überhaupt etwas im Kopf haben, das jemand sein kann. Ava lächelt, wenn sie auf Zeit spielt. Ihr Gesicht ist eine kommerzielle Idee, ihre Persönlichkeit ein Softwarekonstrukt. Weil sie aber lernen kann, ist sie schnell klüger als ihr Lehrer, der ihr Schöpfer ist – ein IT-Milliardär, der sich Klimt und Pollock in sein Hightech-Einsiedler-Versteck hängt, um vor sich selbst als Mann mit Tiefe und Empfinden dazustehen, obwohl ihm beides abgeht.
Kinotrailer : „Ex Machina“
Der Typ ist schlicht ein schwitzendes, trunksüchtiges, durchtrainiertes Schwein mit Bart, das einen Angestellten einlädt, Ava auf Verstand, Herz und Nieren zu prüfen. Mit diesem Untergebenen fraternisiert er dann, um ihn emotional unter Druck zu setzen, intellektuell zu übermannen, philosophisch zu erpressen und körperlich einzuschüchtern.
Gedankengrütze als Beilage
Oscar Isaac gibt den ekelhaften Chef, Domhnall Gleeson das menschliche und Alicia Vikander das kybernetische Versuchskaninchen. „Ex Machina“ ist ein Kammerspiel; je mehr die Figuren ihre Absichten ausagieren, desto enger werden die Räume, in denen sie das tun, und schließlich fällt „Ex Machina“ halb erstickt in eine Ohnmacht, die Erkenntnis heißt. Filme, die auf abstrakte Überlegungen darüber hinauswollen, was Menschsein, Emotionen und instrumentelle Vernunft eigentlich sind und bedeuten, übergießen diese trockene Grübelkost mitunter mit einer zähen, aber heißen Soße aus Sex und Gewalt, damit man die philosophischen Happen schluckt, von Ridley Scotts „Blade Runner“ (1982) bis zu Mamoru Oshiis „Ghost in the Shell“ (1995).
„Ex Machina“ hält es belebenderweise andersherum: Gedankengrütze über künstliche Intelligenz und technologische Risikofolgenabschätzung dient hier als Beilage zu den Hauptsachen Sex und Gewalt, die angemessen ernst und auseinandergenommen werden, bevor das Ende sie doch noch mit einem echten Technikproblem verlötet: Wie sehen Schritte in die Freiheit aus, was für Schuhe trägt man da? Die Antwort ist überraschend, aber, wie sich’s bei Automaten gehört, streng logisch.