Redford-Film im Kino : Zum Abschied ein Ausflug ins Surreale
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Sie sind nicht in der Werkstatt, um sich reparieren zu lassen, sondern zum Spielen: Sissy Spacek und Robert Redford Bild: dpa
Es soll der letzte Film mit Robert Redford sein, aber allzu müde ist er nicht geworden: „Ein Gauner und Gentleman“ zeigt ihn und Sissy Spacek in luftig-lässiger Spiellaune.
Da entschwebt einfach einer – den Realitäten eines Bankraubs, den Abziehbildern seiner Filmkarriere, der letzten Etappe seiner Biographie. Robert Redford ist in „Ein Gauner & Gentleman“, seinem erklärtermaßen letzten Film, schütter entrückt und doch von der Warte eines wohlwollenden Wissens her überaus zugewandt, mit dem zerfurchten, ledernden Gesicht des über Achtzigjährigen auf Schritt und Tritt etwas Zaghaftes zeigend und alle Expressivität an die Augen delegierend, die hier im funkelnden Vollsinn noch einmal das spiegeln, was „in den Blick nehmen“ heißt.
Redford tritt seinen Gang ins Surreale an. Alles erscheint in diesem Film als Kleinigkeit, die man mit links erledigt. Das Verbrechen. Die Liebe. Das Alter. Ja, soll man sagen: der ganze Film macht sich mit links? Raffiniert enthält er sich jeder Raffinesse, setzt mehr oder weniger wörtliche Bildzitate aus Redfords Filmbiographie zwischen „Butch Cassidy und Sundance Kid“ und „Der Clou“ ein, von jedem historistischem Ehrgeiz frei, wohl aber voller Freude an diesem luftigen, auf keine Spielregel sich festlegenden Spiel. Alles soll erkennbar so aussehen wie eine flüchtige Skizze. Da wird verbrochen, geliebt und gealtert, als seien das jedes für sich nicht große Lebensdramen, sondern kleine Fische, die man sich im Vorübergehen fängt. Deshalb verfängt auch kein Hinweis auf die unterkomplexe Handlungsführung (selbst in den achtziger Jahren war ein Bankraub für den Bankräuber keine solche Kleinigkeit wie hier vorgeführt.
Um welche Frage geht es überhaupt, wenn nach der Handlung gefragt wird? Welchem Handlungsbogen sollte es entspringen, was die Ausgeraubten nach jedem Banküberfall jeweils einvernehmlich zu Protokoll geben: dass der Bankräuber gentle, sanft gewesen sei und glücklich gewirkt habe? Wenn es, wonach es aussieht, Redford bei seinem letzten Film um nichts als um diesen Eindruck ging, da sei jemand glücklich entschwebt, dann steht alle Handlung unter einem poetischen Stern, von dem klar ist, dass er nicht als ein politischer Stern glänzen will. Redford hatte, als er seinen Regisseur David Lowery anstiftete, ihn den historischen Serienbankräuber und Ausbrecherkönig Forrest Tucker (1920 bis 2004) spielen zu lassen, nicht biographische Treue zur Figur im Blick, auf die er, Redford, durch David Granns Geschichte im „New Yorker“ stieß, welche den Hemingwayhaften Namen trägt „The Old Man and the Gun“, der wiederum für den Titel des Films in seiner Originalversion Pate steht.
Nein, auch Tuckers Biographie einschließlich seines hier vorgeführten kriminellen Altersexzesses lässt sich natürlich nur als „biographische Illusion“ (Pierre Bourdieu) erzählen. Wenn dem aber so ist, dann soll diese Illusion je länger, desto mehr von der Leichtigkeit, der stupenden Überlegenheit allen „Realitäten“ gegenüber eingefärbt sein, die – man ahnt es – einer Altersliebe entspringt und dann in der Tat (also als einer psychologisch unangreifbaren Handlungseinheit) die Welt zur surrealen Kulisse werden lässt.
Das Unterkomplexe hätte demnach Methode: Tucker trifft Jewel (Sissy Spacek) bei Gelegenheit einer flamboyanten Autopanne (überhaupt fahren phantastische Oldtimer durch diesen Film), und beide zehren alsbald von dem Gefühl, den richtigen Menschen getroffen zu haben, alles andere lässig ausblendend, erst recht die Aussicht, sich auch wieder verlieren zu können. Wie sollte das auch wichtig sein, mag sich Robert Redford bei der Auswahl seines Stoffes gedacht haben, wenn man kurz davor ist, nichts mehr zu verlieren zu haben?