Abschied von Helmut Dietl : A bisserl was geht bis zuletzt
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Der Sarg ist so weiß wie Helmut Dietls legendäre Schals: in der Aussegnungshalle des Münchner Nordfriedhofs Bild: Getty
Münchens Schickeria nimmt Abschied von Helmut Dietl. Und benimmt sich dabei fast so, als hätte sie aus seinen Filmen stilvolle Zurückhaltung gelernt.
Eine Trauerfeier zu Ehren eines verstorbenen Starregisseurs würde in einem Dietl-Film natürlich anders aussehen. Man kann sich das lebhaft vorstellen: Salbungsvoll geheuchelte Worte, unglaubwürdige Ohnmachtsanfälle, sich zankende Ex-Ehefrauen, empörte Honoratioren, kreischende Groupies, Prügeleien mit Blumensträußen – und dazu Dieter Hildebrandt und Franz Xaver Kroetz als skrupellose Klatschreporter, die das wüste Geschehen mit aufgerissenen Augen begeistert beobachten: tolle Story für die nächste Ausgabe der Zeitung.
In Wirklichkeit ging es zum Glück nicht schrill zu. Man hatte den Ort und den Zeitpunkt geschickt halb geheim gehalten. Natürlich hatten ausreichend Fotografen davon Wind bekommen und lauerten am frühen Nachmittag des vergangenen Samstags vor dem Nordfriedhof in München-Schwabing auf Prominente, die alsbald auch in ausreichender Anzahl erschienen. Senta Berger natürlich, fast schon weise lächelnd unter ihrer Sonnenbrille, Heiner Lauterbach fast schon furchterregend markant. Uwe Ochsenknecht völlig undurchschaubar auf leisen Turnschuhsohlen. Auf Olli Dittrich, Christine Kaufmann, Jürgen Flimm und den Filmproduzenten und ehemaligen Bundespräsident-Wulff-Freund David Groenewold richten sich nur die Objektive der gebildeteren Fotografen. Natürlich warten alle auf „sie“, auf Veronica Ferres, die Gespielin aus dem „Rossini“- Film.
Und sie kommt. Leise rattern noch einmal die Auslöser der Kameras, dann verschwinden die Trauergäste in der Aussegnungshalle, und es kehrt Ruhe ein.
Trauerfeier in München : April 2015: Abschied von Helmut Dietl
Neben dem Sarg, der eingedenk von Dietls weißen Schals und seinen weißen Anzügen natürlich weiß und mit weißen Blumen geschmückt ist, steht ein Tafelbild, auf das von Künstler- oder Kinderhand krakelig eine interessante Weiterführung der geflügelten Worts „a bisserl was geht immer“ aus der Serie „Monaco Franze“ geschrieben steht:
„ein bißl Geld, ein bißl Sex, ein bißl Tragik, ein bißl Traum, Märchen, Monarchie...Hochfinanz und Industrie. Und ein bißl Perversion, das wäre die ideale Mischung“
Dann eine Einspielung der Titelmusik aus der Serie „Kir Royal“, die mit ihrem Operetten- und Zirkuscharakter dafür sorgt, dass keine düstere Trauerstimmung aufkommt.
Der erste Redner ist Ludwig Spaenle, der sich als bayerischer Kunstminister in letzter Zeit gern locker einen Künstlerschal um den Hals schlingt, was er heute aber unterlässt. Würde neben dem großen Foto des Schalträgers Dietl auch etwas verfehlt wirken. Man ist geneigt, dem CSU-Minister die Anhäufung von Allgemeinplätzen zu verzeihen, und zwar wegen dieser Aussage: dass er sich in Dankbarkeit vor dem Verstorbenen verneige. Das schließlich ist die durchaus wünschenswerte Haltung eines Politikers gegenüber einem großen Künstler.
Oberbürgermeister Dieter Reiter zählt sympathisch kurz und trocken auf, was Dietl für ihn und die Stadt bedeutet, wie er die Dietl-Dialoge seit Jahrzehnten ständig im Ohr hat. Sein Vorgänger Ude hätte eine rhetorische Drechselarbeit abgeliefert, aber so geht es auch.
Der Chefredakteur der „Zeit“, Giovanni di Lorenzo, ist dem todkranken Dietl in seinem letzten großen Interview sehr nahe gekommen. Er erinnert an Dietls Traurigkeit, die ihn sein ganzes Leben lang begleitet habe, und erzählt genug knackige Anekdoten, um die Zuhörer immer wieder zum Lachen zu bringen: wie Dietl die besten Weine mit Wasser verdünnt hat, wie er nach einer seiner vier Eheschließungen auf die Frage, wie es ihm nun gehe, „beschissen“ gesagt habe – aber mit der Ergänzung: „Du hast nicht gefragt, wie es ohne geht.“