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„Million Dollar Baby“ : Mit der Faust mitten ins Herz

Hilary Swank und Clint Eastwood in „Million Dollar Baby”

Hilary Swank und Clint Eastwood in „Million Dollar Baby” Bild: dpa

Clint Eastwoods Film „Million Dollar Baby“ erzählt von zwei alten Männern, einer jungen Frau, vom Boxring und dem Glück, zu leben. Der Film, der vier Oscars gewann, kommt am Donnerstag ins Kino.

          6 Min.

          Es ist noch immer eine der erstaunlichsten Karrieren der Kinogeschichte, selbst für Hollywoods Maßstäbe, und am Ende taugt sie womöglich noch mal zu einem Film, für den man sich keinen besseren Regisseur als ihn selbst vorstellen könnte.

          Peter Körte
          Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

          Der Mann, der Swimmingpools aushob, bevor er sich selber einen leisten konnte, der Fernsehcowboy, der nach Spanien gehen und dort Italowestern drehen mußte, bevor Don Siegel ihn zu "Dirty Harry" machte und letztlich auch zum Regisseur, weil er bei Siegel lernte, wie klar, wie schnörkellos und lakonisch amerikanische Filme sein können, dieser Mann, der zwischenzeitlich auch mal Bürgermeister des kalifornischen Städtchens Carmel war, hat nun schon zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Jahren die Oscarnacht zu seiner Party gemacht. 1993 mit "Erbarmungslos" und jetzt mit vier Oscars für "Million Dollar Baby".

          Zuerst mußte Eastwood Klinken putzen

          Es ist Clint Eastwood nicht so leichtgefallen, wie das alles klingt, es ist nicht so glattgelaufen wie in einem Drehbuch, das er vermutlich sofort umschreiben ließe. Auch mit seinem Renommee setzt man nicht jedes Projekt auf Anhieb durch. Schon "Mystic River" war dem Studio Warner Brothers erst viel zu düster, und bei "Million Dollar Baby" hieß es, Boxerfilme wolle keiner sehen.

          Die Boxtrainer Frankie (l., Eastwood) und Eddie am Ring
          Die Boxtrainer Frankie (l., Eastwood) und Eddie am Ring : Bild: dpa

          Da half es zunächst nichts, daß er Klinken putzen ging und den Geldgebern zu erklären versuchte, es sei eine Liebesgeschichte und kein Boxerfilm. Es war dann auch nicht viel leichter, als der Film fertig war, weil Katholiken, Konservative und Behindertenverbände gegen ihn zu Felde zogen.

          Ärger mit Behindertenverbänden

          "Million Dollar Baby" sei ein Plädoyer für Sterbehilfe, eine "Vendetta gegen Behinderte", ein "linkes Schmähstück" - als sei der konservative Clint Eastwood der verlängerte Arm des Dr. Kevorkian und ein gefährlicher Radikaler in einer Person.

          Und natürlich hat das in Deutschland der eine oder andere bereits nachgeplappert, ohne den Film gesehen zu haben, und sich gefreut, daß amerikanische Zeitungen auch schon ausgegraben hatten, daß Eastwood 1997 von Behinderten verklagt worden war, weil er beim Umbau eines Hotels darauf verzichtete, die Badezimmer behindertengerecht auszustatten; und daß er darauf mit den Worten reagiert hatte, skrupellose Anwälte würden Behinderte ausnutzen, indem sie Firmen auf hohe Entschädigungssummen verklagten.

          Sterbehilfe auch in „Das Meer in mir“ präsent

          Das ist das übliche Betriebsgeräusch, es fiel nur ein wenig lauter aus diesmal, weil es sich um Eastwood und die Oscars handelte und weil mit Alejandro Amenabars "Das Meer in mir" ein Film den Auslandsoscar gewann, in dem es auch um Sterbehilfe geht. In Amerika ist schon das Nötige dazu gesagt worden.

          Der Film wird in Geiselhaft genommen, um den je eigenen Interessen ein größeres Forum zu verschaffen, und die Trittbrettfahrer, die ihn instrumentalisieren, sind dieselben, die auch noch nie begreifen wollten, daß Autor und Erzähler eines Romans nicht ein und dieselbe Person sind. Weil sie das Kino insgeheim verachten, überschätzen und unterschätzen sie es zugleich. Sie glauben, ein Film könne wie ein Gesetzbuch normative Handlungsanweisungen geben, und sie können sich einfach nicht vorstellen, daß ein Publikum die moralischen Ambivalenzen aushält, welche ein Film zeigt.

          Understatement ist Eastwoods Geschäft

          Clint Eastwood muß einem deshalb nicht leid tun. Der bleiche Reiter, der Cop, dem der Revolver so locker saß, der wie sonst nur Charles Bronson die Augen zu Schlitzen verengen und mit einer Verachtung auf seine Feinde schauen kann, daß es selbst seinen Freunden unbehaglich wird, er steckt das mit seinen fast 75 Jahren weg.

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