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„Maggie’s Plan“ im Kino : Schwanger ohne Sex?

  • -Aktualisiert am

Nüchtern kalkuliert – oder doch lieber auf die altmodische Art? Ethan Hawke und Greta Gerwig sind sich uneinig. Bild: Hall Monitor, Inc.

Ist diese Affäre schon eine Beziehung, oder wäre jene Beziehung besser eine Affäre geblieben? In „Maggie’s Plan“ erleben ein paar New Yorker die Unkalkulierbarkeit menschlicher Beziehungen.

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          „Wir könnten es auch auf die altmodische Weise machen“, sagt Guy zu Maggie, als sie ihm gerade einen sterilisierten Plastikbecher in die Hand drückt. Die altmodische Weise, das würde bedeuten: Sex, in diesem Fall nicht nur zum Spaß, sondern mit dem ausdrücklichen Ziel einer Schwangerschaft.

          Aber Maggie hat sich nun einmal etwas überlegt und das bedeutet: Guy muss ins Bad. Sie bleibt im Wohnzimmer. Er braucht nicht lange, und dann wird der Samenspender auch schon wieder zur Tür hinausgebeten. Und nun geht Maggie ins Bad, um sich die noch warme Flüssigkeit einzuführen. In diesem Moment läutet es an der Tür.

          Das Leben übertreibt es manchmal mit den Zufällen, und Komödien übertreiben diese Übertreibungen so, dass sie uns in den besten Fällen an die dramatische Grundierung erinnern, über die wir gerade noch so hinweglachen können. Inzwischen erwecken diese Übertreibungen aber auch Argwohn. In „Maggies Plan“ von Rebecca Miller geht es letztlich um Rationalisierungen. Eine junge Frau sieht nüchtern auf das Leben. Damit gibt sich keine Geschichte gern zufrieden. Also muss diese Nüchternheit, die anfangs durchaus charmant ist, aufgelöst werden. Bleibt nur die Frage, ob so etwas von Dauer sein kann.

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          Der Mann, der bei Maggie im entscheidenden (hochnotpeinlichen) Moment läutet, hat schon einige Erfahrungen gemacht, und er ist Experte in der Reflexion dieser Erfahrungen. John ist nämlich Professor für Fiktokritikalität, was zuerst einmal nach einer der typischen Blüten der amerikanischen Geisteswissenschaften klingt, aber durchaus über einen relevanten Kern verfügt.

          Denn gemeint ist damit vor allem, dass Argumente sich mit Erzählungen verbinden. Überlegungen werden narrativ, wobei man gleich fragen könnte, ob nicht von alters her die meisten Texte schon fiktokritisch waren oder ob wir dafür erst transzendental obdachlos werden mussten. John fällt in „Maggies Plan“ allerdings hinter seine akademischen Standards zurück, denn er schreibt einen Roman, von dem nie ganz klar wird, ob er deswegen so schwer abzuschließen ist, weil er zu viel mitdenkt, oder ob er nicht genug erlebt, um überhaupt fiktional in die Gänge zu kommen. Er produziert zwar jede Menge Text, es taucht aber auch der Verdacht auf, dass er nur so mitschreibt bei dem, was sich zuträgt.

          Der Verdacht kommt von Maggie, denn sie erkennt sich in dem Text wieder. Sie war die erste Leserin von Johns Buch, so kamen sie einander näher, aus dem Musendienst wurde Liebe, nun sind sie ein Paar mit einem kleinen Kind. John hat allerdings noch zwei andere, denn er ist ein wenig älter, und er hatte auch davor eine Beziehung. Seine Frau Georgette unterrichtet an der Columbia University, sie hat auch eine Neigung dazu, ihre Erlebnisse zu Themen ihrer Bücher zu machen.

          Acht oder neun Millionen Menschen leben in New York, aber die zwei, die jeweils gerade zusammen sind, tun sich oft ungeheuer schwer damit, herauszufinden, ob ihre Affäre eigentlich schon eine Beziehung ist oder ob ihre Beziehung besser eine Affäre geblieben wäre. Darum geht es schließlich vor allem in „Maggies Plan“, in dem Rebecca Miller gemeinsam mit der Autorin Karen Rinaldi eine mustergültige urbane Versuchsanordnung auf einen einigermaßen altmodischen Kern zurückzuführen versucht: „I want to live honestly“, sagt Maggie an einer Stelle, und man nimmt ihr diese Bemühung um Authentizität vollkommen ab. Wohl auch deswegen, weil die Schauspielerin Greta Gerwig aus einer Tradition kommt, die schon seit einiger Zeit die Grenzen zwischen Kino und Leben, zwischen Kunst und Alltag zu verwischen versucht.

          In Noah Baumbachs „Frances Ha“ war sie die Hauptfigur, ein New York Girl, das wirkte, als wäre nichts gespielt, sondern alles nur so hingetupft, wie sich das vorläufige Leben nun einmal oft ausnimmt. Gerwig würde auch gut in die Fernsehserie „Girls“ passen, in der Lena Dunham kunstvoll so tut, als wäre das Mädchentagebuch die große literarische Form von heute (für die es dann allerdings nur einen E-Buch-Vertrag gibt).

          Trailer : Maggie's Plan

          Männlicherseits bekommt Greta Gerwig es mit Ethan Hawke zu tun, der immer noch glaubhaft als später Student durchgeht, dabei war er 1994 schon in Ben Stillers „Reality Bites“ dabei, einem Schlüsselmoment für den Übergang von Figurenzeichnung zu Befindlichkeitsschilderung, den die Serien dann mit ein wenig Verzögerung vollzogen haben. Pointierterweise wird die Nebenbuhlerin und potentielle Freundin von Maggie, die strenge Professorin Georgette, von Julianne Moore gespielt, die erst kürzlich in „What Maisie Knew“ in einer ganz ähnlichen Geschichte zu sehen war, die aber auf einem Roman von Henry James beruhte. Für eine Geschichte der Gefühle hätte man da jede Menge Material, und dabei würde man dann wohl auch feststellen, dass „Maggies Plan“ es sich eher ein bisschen routiniert in diesen Zusammenhängen gemütlich macht, als dass Rebecca Miller einen Versuch machen würde, ihren Fragen auch auf den Grund zu gehen.

          So bleibt diese Maggie, die de facto dauernd Pläne macht, von denen einige sogar aufgehen, vor allem mit ihrer eigentümlichen Nonchalance in Erinnerung. Daraus kann sie vielleicht nur durch eine Pointe erlöst werden, die vor allem eins ist: schön altmodisch.

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