Kinofilm „Le Prince“ : Vielleicht gibt es gar keine Blutdiamanten
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Hochhausbild mit Dame: Monika (Ursula Strauss) macht sich Gedanken. Bild: Port au Prince Pictures
Eine Freiberuflerin im Kunstbetrieb und ein Asylbewerber, der mit Edelsteinen handelt: Lisa Bierwirths Spielfilm „Le Prince“ will wissen, ob und wie gelebte Postkolonialität funktioniert.
Bei einem Abendessen in einem bürgerlichen Haushalt in Frankfurt am Main sitzen fünf Menschen beisammen. Die ungerade Zahl deutet an, dass die Beziehungen in dieser kleinen Gesellschaft vielschichtig sind. Die Gastgeber sind seit Langem ein Paar: Ursula, eine Juristin, und ihr Mann Martin, er hat gekocht. Dazu Peter, der Leiter einer wichtigen Kunstinstitution in der Stadt, und Monika, sie arbeitet als freie Kuratorin für das Haus, mit dem sie sich eng verbunden fühlt. Peter und Monika waren einmal ein Paar, davon bleiben natürlich Gefühle, nun sind sie aber vor allem beruflich verbunden. Denn Peter ist im Begriff, einen Karrieresprung zu machen, und Monika steht nun plötzlich ohne Patronanz da. Sie würde das nie so sehen, aber es ist doch unabweislich. Der naheliegende Schritt wäre, sich für die Leitungsposition der Kunsthalle zu bewerben, die Peter verlassen wird. Ist es ein Vorteil, dass man Monikas Ausstellungen als „eigenwillig“ qualifiziert?
Die fünfte Person am Tisch schweigt zumeist. Joseph ist mit Monika gekommen. Er stammt aus Kongo, in Frankfurt lebt er mit einem prekären Status, eigentlich darf er sich in Deutschland nicht frei bewegen. Er unterliegt der „räumlichen Einschränkung“, einer der vielen Regelungen im Rahmen eines Asylverfahrens. Joseph ist der einzige Schwarze am Tisch. Es gehört zu den Konventionen aufgeklärter Menschen, dass das keine Rolle spielen sollte. So entsteht eine eigentümliche Spannung.
Begegnung im Hinterhof
Eine Weile scheint seine Anwesenheit gar nicht bemerkt zu werden, man spricht Deutsch, das er nicht versteht. Als die Konversation ins Englische wechselt, geht das mit der Frage einher: „What do you do?“ Joseph verkauft Diamanten. „Blutdiamanten?“ Joseph reagiert gereizt, weil die Anwesenden, Monika eingeschlossen, über die Verhältnisse in Kongo nicht viel wissen. Vielleicht gibt es gar keine Blutdiamanten, stellt Joseph in den Raum, vielleicht ist der Begriff nur eine Erfindung von „den Juden“. Betretenes Schweigen. Monika versucht, Joseph eine Brücke zu bauen. Doch es bleibt offen, ob ihm gerade ein antisemitisches Stereotyp unterlaufen ist, oder ob er seine Gastgeber mit der anstößigen Bemerkung provozieren wollte.
In Lisa Bierwirths Film „Le Prince“ beginnt die Beziehung zwischen Monika und Joseph mit einer beiläufigen urbanen Szene. Vor einem Lokal stehen ein paar Leute, jemand fragt nach einer Zigarette, und plötzlich ist Monika in einer Welt, von der sie davor wenig Notiz genommen hat. Die kongolesische Diaspora, eine Parallelgesellschaft, so lautet ein Begriff aus der politischen Debatte, der hier gerade in seiner Ambivalenz gut passt. Monika und Joseph begegnen einander in einem Hinterhof, er duckt sich in die Dunkelheit, damit die Polizei ihn nicht entdeckt, sie wird unvermutet Komplizin. Damit beginnt eine Liebesgeschichte, die sich ihrer Voraussetzungen erst bewusst werden muss.