Kino : Der deutsche Film überzeugt in Locarno
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Regisseurin des Siegerfilms: Andrea Staka Bild: AP
Für die deutsche Filmbranche war das 59. Festival in Locarno ein voller Erfolg: Von den fünf vergebenen „Leoparden“ kann sie sich zweieinhalb zurechnen - den Großen Preis des Festivals teilt sie sich mit den Schweizer Kollegen.
Für die deutsche Filmbranche war das 59. Festival in Locarno ein voller Erfolg: Von den fünf vergebenen „Leoparden“ kann sie sich zweieinhalb zurechnen - den Großen Preis des Festivals teilt sie sich mit den Schweizer Kollegen. Die Leoparden für den besten Darsteller und im Newcomer-Wettbewerb der „Cinéasten der Gegenwart“ holte sie ganz. Florian Henckel von Donnersmarcks Stasi-Tragödie „Das Leben der Anderen“ errang bei ihrer internationalen Premiere auf der Piazza Grande den Publikumspreis, Iain Diltheys „Gefangene“ hinterließ einen starken Eindruck.
„Das deutsche Kino strahlt am Lago Maggiore“, urteilte ein Kritiker. Die Ausbeute an Ehrungen war die Belohnung für ein großes Aufgebot. Jeder zehnte Film auf den Leinwänden war zumindest unter deutscher Beteiligung entstanden. Allerdings war das kleinste der großen Festivals in diesem Jahr noch ein Stück kleiner geworden. Der neue Leiter Frédéric Maire hatte die Gesamtzahl der Beiträge kräftig gekürzt: Waren 2005 noch in den unterschiedlichen Reihen rund 250 Filme gelaufen, so waren es dieses Mal nur noch 170. Auch die künstlerische Konkurrenz war nach Ansicht mancher Kritiker nicht allzu scharf. Von „Mittelmaß“ und „Kunstgewerbe“ war die Rede.
Eklat in der Jury
Der Hauptwettbewerb „vermochte nur zum Teil zu überzeugen“, befand die „Neue Zürcher Zeitung am Sonntag“ (NZZ). Das galt allerdings nicht für den Siegerfilm „Das Fräulein“, eine Geschichte um drei Frauen, die es aus dem früheren Jugoslawien nach Zürich verschlagen hat. Die 32jährige Regisseurin Andrea Staka sei „in manchen Momenten dem Geheimnis der Kino-Alchemie auf der Spur“, befand die „NZZ“. Ihr Film war jedoch auch an einem Eklat beteiligt. Jury-Mitglied Barbara Albert trat während des bereits laufenden Festivals zurück, nachdem sich herausgestellt hatte, daß die österreichische Regisseurin beratend am Drehbuch mitgewirkt hatte.
Auch wenn Maire sein Programm nicht so politisch akzentuiert hatte wie seine Vorgängerin Irene Bignardi, so kam doch viel Zeitgeschichte auf die Leinwand. In seiner Dokumentation „Carlas Liste“ etwa verfolgte der Schweizer Marcel Schüpbach die Arbeit von Carla del Ponte, der Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien. Daneben gab es aber die ganze Bandbreite des Kinos von der ambitionierte Videokunst bis zum von Botschaften unbeschwerten Actionstreifen: Der Eröffnungsfilm etwa war Michael Manns Kino-Adaption der 80er-Jahre-Krimiserie „Miami Vice“. Doch die Produktion „verfehlte ihren Knalleffekt selbst bei den Trägern von Bermudashorts und Flipflops“, notierte die „Neue Zürcher Zeitung“.
Maire hatte die bewährte Tradition beibehalten, die abendlichen Freiluftvorstellungen auf der Piazza mit publikumswirksamen Produktionen zu füllen. Doch von manchem gewohnten Ambiente mußten die Besucher Abschied nehmen - etwa vom Grand Hotel, in dem das Festival 1946 begonnen hatte und das seitdem der Treffpunkt der Kinoszene geblieben war. Doch auf dem lokalen Immobilienmarkt sind Appartements rentabler als Hotelbetten. Ende 2005 wurde das Grand Hotel geschlossen: „Das Festival hat seine Seele verloren“, klagte Festivalpräsident Marco Solari.