Interview-Film mit Steve Jobs : Die Stunde, da sie alles von einander wussten
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Jobs im Jahr 1995: langhaarig, rollkragenpullovert und wegweisend Bild: dpa
Ein verloren geglaubtes Interview mit Steve Jobs läuft im Kino. Jobs erzählt seine faszinierende Gründergeschichte - und zwar so sympathisch, dass man manchmal nicht bemerkt, wie stark er dabei auch an der eigenen Legende strickt.
Der schlichte schwarze Rollkragenpullover im Design von Issey Miyake wirkte 1995 an Steve Jobs so zeitlos, wie er es noch zum Tod seines Trägers im Jahre 2011 tat. Alles andere an dem filmischen Eindruck, den ein „verlorenes Interview“ des Fernsehjournalisten Robert X. Cringely mit dem Apple-Mitbegründer uns nun wieder vorführt, scheint dagegen Lichtjahre entfernt - sowohl die Gesprächsgegenstände als auch das frische, noch nicht von schwerer Krankheit gezeichnete Gesicht des Computergurus, der sich am Ende selbst als Hippie bezeichnet.
Cringely verwendete seinerzeit nur einige Minuten seines Materials für den Film „Triumph of the Nerds“, der die Geschichte des Personal Computers erzählte. Der Rest lag verschollen auf einer VHS-Kasette, die nun - es will nur zu gut zum Gründungsmythos von Apple passen - ausgerechnet in einer Garage wieder aufgetaucht sein soll. Da es eines der wenigen längeren Interviews mit Jobs ist und zudem aus einer Zeit stammt, kurz bevor er bei Apple wieder einstieg und das Unternehmen auf seinen Siegeszug führte, gewinnt es aus heutiger Sicht den Charakter einer spektakulären Vision, die dann von der Geschichte bestätigt wurde.
Die Essenz dieses Computervisionärs
Jobs erzählt seine faszinierende Gründergeschichte, die von der Zeit der Schrankcomputer bis zur 1995 von ihm bereits klar erfassten weltverändernden Macht des Internet reicht - und zwar so sympathisch, dass man manchmal nicht bemerkt, wie stark er dabei auch an der eigenen Legende strickt. Er zeigt sich dabei auch als fanatisch Fortschrittsgläubiger, für den der Computer, wie es in einer frühen Apple-Kampagne hieß, dem Menschen geradezu das „bicycle of the mind“ geworden ist. Es hat allerdings schon etwas für sich, die Geschichte der Gehirn-Fahrräder aus dem Silicon Valley einmal von innen heraus erzählt zu bekommen - schade fast für alle, die sich das Ganze bereits in Form mäßig guter Dokufiktionen oder der ausufernden Jobs-Biographie von Walter Isaacson zu Gemüte geführt haben, denn Jobs selbst ist ein überaus geschickter Erzähler, der weiß, wann man Pausen machen muss und wie man eine rhetorische Klimax aufbaut. Er vertritt dabei mitunter so interessante Thesen wie jene, dass die Computerwissenschaften zu den freien Künsten gezählt werden sollten und jeder Mensch eine Programmiersprache lernen solle, um dabei das Denken zu lernen.
Tatsächlich erkennt man in den 66 Minuten Nahaufnahme vielleicht die Essenz dieses Computervisionärs und seine starke ästhetische Determination, die schließlich in der Aussage kulminiert, es gehe in seinem Geschäft letztlich nur um eines: Geschmack - hierin sich maximal abgrenzend vom Konkurrenten Microsoft: „They just have no taste.“ Ob die ästhetische Erfahrung dieses Interviews selbst allerdings tatsächlich taugt, um daraus ein Kinoerlebnis zu machen, was angesichts des Filmgegenstands wie eine Ironie der Geschichte wirkt, ist wohl auch eine Frage des Geschmacks.