Im F.A.Z.-Gespräch: Woody Allen : Was raten Sie in Liebesdingen, Mr. Allen?
- Aktualisiert am
Früher eine Sportskanone: Woody Allen Bild: Burkhard Neie/xix
Auf dem rechten Ohr hört er nicht mehr gut. Aber die Augen blitzen hellwach, als Woody Allen uns in Paris begrüßt. Noch immer sprüht der Stadtneurotiker vor Esprit.
Mr. Allen, Ihre Schwester hat erzählt, Sie wären in die falsche Familie hineingeboren worden, weil Ihre Eltern Ihnen den Einstieg ins Showbiz verbieten wollten. Haben sie sich später je bei Ihnen für Ihre Filme bedankt?
Nein. Aber ich glaube, letzten Endes wussten sie meine Arbeit durchaus zu schätzen. Ich kann meine Eltern gut verstehen: Sie hatten schlichtweg Angst, dass ich als Künstler nicht genügend Geld verdienen und verhungern würde. Mein Vater hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser; ich selbst zeigte keinerlei Anzeichen für irgendeine Begabung, flog von der Schule und war offensichtlich nicht intelligent genug für ein Studium. Zum Glück fand ich heraus, dass ich Witze schreiben und mich dafür sogar anständig bezahlen lassen konnte - sonst hätte ich vermutlich mein Leben lang irgendwelche niederen Arbeiten verrichten müssen.
Stimmt es, dass Sie als Jugendlicher von einer Verbrecherkarriere geträumt haben?
Ja. Damals war ich ein geschickter Hobbyzauberer. Ich habe seit jeher das Alleinsein geliebt und war schon immer gut in Dingen, mit denen ich mich von anderen Menschen isolieren konnte: Als Knabe saß ich stundenlang in meinem Zimmer, übte Klarinette und perfektionierte meine Karten- und Münzentricks. Als Kartenbetrüger oder illegaler Glücksspieler wäre ich vielleicht gar nicht so unbegabt gewesen. Aber für eine richtige Gangsterkarriere hätte ich bestimmt nicht die nötigen Nerven gehabt.
Kommen Sie sich trotzdem manchmal vor wie ein Trickbetrüger, weil Sie in Ihren Beruf hineingerutscht sind, ohne je eine Filmschule besucht zu haben?
Ja, dieses Gefühl hat mich mein ganzes Leben lang begleitet. Ich denke mir oft, dass mir ein gigantischer Zaubertrick gelungen ist: Irgendwie habe ich es geschafft, genügend Menschen derart an der Nase herumzuführen, dass man mir seit über vierzig Jahren die alleinige künstlerische Kontrolle über meine Filme zugesteht. Womöglich hängt es damit zusammen, dass die Leute mich wegen meines Aussehens für einen Intellektuellen halten.
Wollen Sie damit etwa andeuten, dass Sie gar kein Intellektueller sind?
Ganz genau. Lachen Sie nicht. Wegen meiner Brille kann ich zwar recht überzeugend einen Intellektuellen darstellen, aber man sollte nicht den Fehler machen, mich mit meinen Filmfiguren zu verwechseln. Im wirklichen Leben bin ich alles andere als ein grüblerischer Bücherwurm. Mein erstes Buch habe ich mit achtzehn Jahren gelesen. Ich habe mich überhaupt nur mit ernsthafter Literatur befasst, weil ich merkte, dass das bei vielen Frauen gut ankam. Ich schließe mich nicht abends mit dem Werk eines dänischen Philosophen im Zimmer ein, um mit dem Bleistift kluge Anmerkungen an den Rand zu kritzeln. Stattdessen sitze ich mit einem kühlen Bier vor dem Fernseher und sehe mir die Basketball-Playoffs an. Ich bin ein großer Sportfan. In meiner Jugend war ich eine echte Sportskanone.
Sie sehen, ehrlich gesagt, nicht gerade wie ein Athlet aus.
Ich weiß. Doch während meiner Schulzeit habe ich viel Leistungssport betrieben. Ich wurde immer als Erster in eine Mannschaft gewählt und war trotz meiner geringen Körpergröße ein guter Basketballspieler. Das glaubt mir heute kein Mensch. Aber die meisten Leute haben ohnehin eine falsche Vorstellung von mir: Sie denken, ich wäre ein Bohemien, der mit Vorliebe auf dem Flokati sitzt, Drogen konsumiert und Lyrik rezitiert. In Wirklichkeit führe ich ein ganz spießiges Mittelschicht-Leben. Ich bringe meine Kinder zur Schule, setze mich an meine Schreibmaschine zum Arbeiten und pilgere ab und zu ins Stadion.
Das klingt ja sehr entspannt. Was aber treibt Sie seit mehr als vier Jahrzehnten dazu an, einen Film nach dem anderen zu drehen?