Zum Tod von Gina Lollobrigida : Klarer Kopf, wildes Temperament
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Bewundert viel: Gina Lollobrigida zusammen mit Marcello Mastroianni in „Wo der heiße Wind weht" von 1958 Bild: INTERFOTO
Zu ihrer Zeit brauchte man für wahre Berühmtheit so viel Schönheit wie Talent. An diesem Montag ist Gina Lollobrigida, die selbstbewusste, große Filmdiva, im Alter von 95 Jahren gestorben.
Als Schauspielerinnen sich noch nicht per Social-Media-Account ins Wohnzimmer blicken ließen, brauchte es für wahre Berühmtheit so viel Schönheit wie Talent. Wer sich dann in die Reihen der ganz großen Filmdiven aufschwang, von dem sprach das Publikum nur noch ehrfürchtig mit dem Artikel vor dem Nachnamen. Gina Lollobrigida war eine von ihnen. In ihrer Heimat Italien raunte man von ihr nur als „La Lollo“, und weltweit bekamen Männer und Frauen beim Klang dieses Namens einen schwärmerischen Blick.
Als der Regisseur John Huston sie 1953 zum ersten Mal in einem amerikanischen Film besetzte, präsentierte er sie seinem Publikum sofort als Star: In der von Truman Capote geschriebenen Gangstersatire „Schach dem Teufel“ spielt sie die Gefährtin von Humphrey Bogart, nimmt aber schon in der ersten Szene mehr Platz ein als diese tragende Hollywood-Säule. Nicht nur physisch – Huston lässt Lollobrigida so aufnehmen, dass ihr Profil bis zur Taille fast zwei Drittel der Leinwand füllt und Bogart im Hintergrund neben dieser Präsenz klein wirkt –, auch im Textanteil ist sie dem Hauptdarsteller gewachsen und drängt ihn mit ihrem Temperament einmal fast in die Ecke.
Bis es sie nach Amerika verschlug, hatte sie einen langen Weg hinter sich. 1927 im Dorf Subiaco in den Abruzzen geboren und mit drei Schwestern aufgewachsen, zog sie mit ihrer Familie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach Rom. Eine Bombe hatte die Möbelfabrik des Vaters zerstört. Eine Ausbildung konnte Lollobrigida nur mithilfe eines Stipendiums absolvieren. Im Alter von zwanzig Jahren ergatterte sie erste kleine Filmrollen und belegte den dritten Platz bei der Wahl der „Miss Italia“.
Ihre Schönheit half ihr bald, größere Rollen zu bekommen, sie nutzte die Gelegenheit, um zu zeigen, dass sie weitaus mehr zu bieten hatte als ein hübsches Gesicht und die in der Nachkriegszeit so populäre Sanduhr-Figur. Das italienische Publikum verliebte sich endgültig in sie, als sie 1953 an der Seite von Vittorio de Sica in „Brot, Liebe und Fantasie“ in der Rolle der Bersagliera ein energisches Mädchen aus dem Süden spielte.
Als ihr im gleichen Jahr dann mit John Hustons Film der Sprung nach Amerika gelang, behielt sie als kluge Geschäftsfrau ein Bein auf europäischem Boden und erhielt die höchsten damals üblichen Gagen. Zukünftig spielte sie in Produktionen auf beiden Kontinenten, in Amerika als Sexsymbol in Konkurrenz zur Monroe besetzt, in Europa dagegen in Charakterrollen. Größte Erfolge bei der Kritik bescherte ihr die Darstellung der Esmeralda in der Victor-Hugo-Verfilmung „Der Glöckner von Notre-Dame“ (1956). Als aufwendiges Historiendrama inszeniert, gab die Rolle der Tänzerin Lollobrigida Gelegenheit, nicht nur ihren verführerischen Hüftschwung zu präsentieren, sie hatte in Anthony Quinn, der den Glöckner Quasimodo gab, einen Partner, an dem sie ihr schauspielerisches Können schärfen konnte.
Mitte der Sechzigerjahre nutzte sie die Pause, die die Filmindustrie damals noch Frauen von Ende dreißig an zwangsverordnete, um neue Karrierewege einzuschlagen. Ebenso hartnäckig und ehrgeizig, wie sie vor der Kamera gearbeitet hatte, wirkte sie nun dahinter. Innerhalb kürzester Zeit wurde sie eine der begehrtesten Fotografinnen Italiens, schoss Porträts von Fidel Castro, Ronald Reagan und Paul Newman und arbeitete als Modefotografin für die „Vogue“. Als sie 1986 zur Jury-Präsidentin der Berlinale ernannt wurde, sorgte sie auch dort mit ihrem Temperament für Aufsehen, als sie die knappe Entscheidung der Jury-Mitglieder in ihrem Kreis für Reinhard Hauffs Film „Stammheim“ über den Baader-Meinhof-Prozess nicht anerkennen wollte. An diesem Montag ist diese selbstbewusste, große Filmdiva im Alter von 95 Jahren gestorben.