Kinofilm „The Ordinaries“ : Hauptsache Nebenrolle
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Im falsch richtigen Film: Elisa (Jule Böwe, links) und Paula Feinmann (Fine Sendel) wären lieber woanders. Bild: Bandenfilm
Filme, deren Blick auf die Welt am und im Filmwesen selbst ansetzt, gibt es oft. „The Ordinaries“ ist aber ein ungewöhnliches Exemplar der Gattung.
Was für eine irre Welt: Im Film „The Ordinaries“ kommt die Reinkarnation von Vierbeiner Lassie angetappst, und fragt, wo ihr Gastauftritt stattfinden soll, die Murmel-und-Brabbel-Kino-Ikone Heiko Pinkowski gibt ein Kurzgastspiel als Kneipenrowdy, der nur mit übersteuerter Stimme grölen kann und in derselben Kneipe dealt ein netter Typ, der sich abgehackt wie ein Jumpcut bewegt, mit Geräuschen in kleinen Fläschchen.
Denn in der Kaschemme namens „Bad Ending“ versammeln sich die sogenannten Outtakes, Menschen mit Filmfehlern, die Abgeschobenen der Gesellschaft. „Keine unangemeldeten Plotpoints in diesem Bus!“ meckert der Busfahrer einen Outtake an, der auf einem ihm verbotenen Platz sitzt.
In Sophie Linnenbaums Debüt sind diese Outtakes Menschen dritter Klasse. Die privilegierten Hauptfiguren hingegen residieren in Aristokraten-Villen und die Nebenfiguren in der Hochhausplatte, so auch Paula (Fine Sendel) und ihre Mutter (Jule Böwe).
Die 16-jährige geht die Hauptfigurenschule, sie ist Klassenbeste im panischen Schreien, wie sie einmal ohrenbetäubend unter Beweis stellt. Auch das Klippenhängen liegt ihr. Nur beim emotionalen Monolog, der Königsdisziplin für die Abschlussprüfung, hapert es: Sobald das Mädchen ansetzt, mit Kunstpausen und allem, was dazu gehört, dudelt die von ihrem Herzleser generierte, vor Kitsch triefende Filmmusik schief vor sich hin.
In einem Krankenhaus übt Superman fliegen
Paulas Monolog ist dem Vater gewidmet, einem, wie die Mama erzählt, tollen Hauptdarsteller, der dem Outtake-Mob zum Opfer gefallen sein soll und sich nun „zwischen den Schnitten“ befindet.
Mit „The Ordinaries“ beschließt die 1986 in Nürnberg geborene Regisseurin ihr Regiestudium an der Filmuniversität Babelsberg. Unglaublich, denn dieses Debüt, zu dem Linnenbaum gemeinsam mit Michael Fetter Nathansky das Drehbuch geschrieben hat, ist einer der originellsten deutschen Filme der letzten Jahre. Beim Filmfest München gab es dafür den Förderpreis Neues Deutsches Kino, beim First Steps Award die Auszeichnung für den besten abendfüllenden Spielfilm. Beim Deutschen Filmpreis ist „The Ordinaries“ für das beste Szenenbild und die besten visuellen Effekte nominiert.
Im anachronistisch-zeitlosen Setting zwischen 1950er-Jahre Look und retrofuturistischem Technikambiente feiert „The Ordinaries“ im CinemaScope-Format das Kino und hält seinen Mechanismen spielerisch den Spiegel vor. Es wird gesungen und getanzt, in einem Krankenhaus übt Superman fliegen.
Die ganze Filmgeschichte spielt mit
„Hier übe ich Angst“, erklärt Paula einmal die ängstlich vibrierende Filmmusik, die dann einfach abreißt; einmal verselbständigt sich auch ein Voice-Over-Kommentar. Metafilm-Klassiker wie die „Die Truman Show“ schauen um die Ecke, ein Junge sagt, dass er Tote sehen kann, in einer Szene sitzt ein Forrest Gump-Verschnitt mit seinem Koffer an der Bushaltestelle, die sich dann tatsächlich als Kulisse entpuppt. Und sicher nicht zufällig erinnert Paulas Lehrer an Steven Spielberg.
Mitunter mit Spielbergscher Zuckerwattigkeit , aber nicht ironiefrei, wirft uns „The Ordinaries“ hinein in einen Plot um Identitätssuche. Paula will mehr über den toten Vater erfahren und stolpert, nachdem sie im Institutsarchiv, in dem zu allen Hauptfiguren Daten gespeichert sind, nicht fündig wird, hinein ins verwahrloste Outtake-Viertel.
Begleitet wird sie von Outtake Hilde, einer sogenannten Fehlbesetzung, gespielt von Henning Peker im unauffälligen Dienstkleid. Hilde arbeitet als Hausmädchen bei ihrer besten Freundin Hannah (Sira-Anna Faal) und deren perfekt gestylten Eltern (Denise M’Baye und Pasquale Aleardi), beide Hauptdarsteller, die gerne ihre kitschigen Musical-Einlagen zum besten geben.