„Der Nussknacker“ im Kino : Disney weiß, was die Gegenwart will
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Spiegelblicke: Die Zuckerfee (Keira Knightley) und Clara (Mackenzie Foy) Bild: Laurie Sparham/Disney via AP
Für alle, die beim „Nussknacker“ an Tschaikowsky denken, stellt Disney gleich zu Beginn seines Films klar: Das Ballett kann Tänze – aber solche Bilder kann nur Film. Auf eine von ökonomischen Gesichtspunkten bestimmte Weise ist das kreativ.
Lasse Hellström und Joe Johnston haben in gemeinsamer Regie den Film „Der Nussknacker und die vier Reiche“ gedreht, der die Nussknackergeschichte mit Wendungen erzählt, die ihnen vielleicht zur Ehre gereichen; so in dem Sinne: Disney kann komplexe Drehbücher verfilmen. Einem Publikum, das den „Nussknacker“ als Titel kennt, verspricht der Zusatz neue, womöglich spannende Variationen eines klassischen Weihnachtsmärchens. Es ist die richtige Jahreszeit, alle essen schon die Lebkuchen, aus denen die Soldaten in der Geschichte gemacht sind. Stars spielen mit, zu ihnen später.
Vor allem aber ist der Film ein visuelles Schauspiel, nicht nur wegen der schönen Gesichter, sondern wegen der anspielungsreichen und farbigen, voller Liebe zum Detail ausgeschmückten Phantasiewelt. Der Film beginnt in einer biedermeierhaften englischen Wirklichkeit, und als müsste er alle Betrachter, die den „Nussknacker“ als Ballett kennen und lieben, den Anti-Disney-Wind aus den Segeln nehmen und sie gleich in den ersten Minuten verzaubern, beginnt alles mit einem atemraubenden Kamera-Tiefflug über ein weihnachtliches London des neunzehnten Jahrhunderts. Es ist Abend, Sterne und Laternen leuchten, Kutschen rollen über das Pflaster und bringen Eilige zu letzten Besorgungen oder nach Hause an den Kamin. Fast meint man, die eisige Luft zu spüren, als flöge man selbst mit der Kamera durch die Dunkelheit, fast scheinen die Bilder Schneegeruch und den Duft von Holzfeuern und gerösteten Maronen zu verbreiten. So, sagt der Film, „Nussknacker“ als Ballett kann Tänze, aber solche Bilder, das kann nur Film. Sehr klug gemacht ist das, sehr richtig und sehr schön.
Die Zuckerfee ist durchgedreht
Danach landen die Bilder auf der Erde und widmen sich den Schauspielern, ihren prächtigen Kostümen und den Dekorationen. Was Clara Stahlbaum an Heiligabend träumt, dass nämlich der Weihnachtsbaum bis zur Zimmerdecke wächst und aus dem hölzernen Nussknacker ein lebendiger Prinz wird, den sie vor dem Mäusekönig und seiner Bande rettet, ist hier alles etwas verwandelt. Clara trauert um ihre Mutter, die erst kürzlich verstorben ist, und bittet auf dem Fest Onkel Drosselmeyer, ihr beim Öffnen einer Spieluhr, die die Mutter ihr hinterlassen hat, zu helfen: Der Schlüssel fehlt. Auf der Suche nach ihm gerät sie in eine andere Welt, wo ihr der Nussknacker als Hauptmann Philipp zur Seite steht, sie der Mutter Ingwer, der Zuckerfee und den Herrschern des Schnee- und des Blumenreiches begegnet und wo sie vor allem lernt, dass ihre Mutter Königin der vier Reiche war und sie, Clara, eine Prinzessin ist. Am Ende der turbulenten Abenteuer und Verwicklungen im Reich der Süßigkeiten und in der Soldaten produzierenden Fabrik der Zuckerfee kehrt Clara ohne ihren Freund zurück in die Wirklichkeit. Dort gibt es insofern ein Happy End, als sich Clara, die sich in ihrer Trauer um die Mutter vom Vater sehr zurückgezogen hatte, ihm nun wieder nähert.