Deutsches Kino : Ja wo laufen sie denn?
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Für Bickenbach ist der Anteil der Kinobetreiber am Erfolg eines Films extrem wichtig. Im Hamburger Abaton-Kino zum Beispiel sei „Schwerkraft“ fünf Wochen lang ausverkauft gewesen. „Wo kommt das her? Wieso weiß der eine Kinobetreiber, wie er sein Publikum ansprechen muss, und andere nicht?“ Das Kino stehe immer weniger für Entdeckungslust und Neugier, meint Bickenbach. „Ich glaube zu spüren, dass der Kinogeschmack des Publikums immer enger wird“, sagt auch der Münchner Produzent Peter Heilrath, dessen Film „Der Räuber“ zwar im Berlinale-Wettbewerb lief und großartige Kritiken bekam, aber nur knapp über 10.000 Zuschauer im Kino: „Das hat mit Sehgewohnheiten zu tun, die vom Fernsehen kommen. Was die Privatsender mit der Erzählkultur und dem Geschmack angerichtet haben, ist vernichtend für die deutsche Kinokultur.“
Die Frustration junger Filmemacher ist gegenwärtig allenthalben zu spüren: „Ich habe mir längst angewöhnt, innerlich einen sehr großen Unterschied zwischen dem Prozess der Arbeit an einem Film und seiner Herausbringung zu machen“, sagt etwa Lars Kraume, dessen vierter Spielfilm „Die kommenden Tage“ nächste Woche startet. Immerhin kann Kraume, der auch Autor und Produzent des Films ist, mit Johanna Wokalek, August Diehl, Daniel Brühl, Bernadette Heerwagen und Susanne Lothar mit einer beachtlichen Star-Riege aufwarten. Trotzdem ist der Erfolg seines Films unsicher, nicht nur weil es Genrestücke im Kino immer schwer haben, sondern auch weil am gleichen Tag noch ein Dutzend weiterer Filme ins Kino kommt.
Permanente Überproduktion
Diese Film-Schwemme machen viele für die schwachen Zahlen auch guter Werke verantwortlich. Am Überangebot ist die deutsche Förderung nicht unschuldig: Von mehr als 500 Filmen, die 2009 in Deutschland starteten, kamen 100 aus Deutschland, 2010 werden es rund 120 sein. Der Filmförder-Fonds wird zwar öffentlich allerorten viel gelobt, hinter den Kulissen aber viel kritisiert, weil er den Kinostart von Filmen bereits erzwingt, bevor das Ergebnis fertig ist.
Blickt man auf das Programm, das vor zehn Jahren in Hof lief, entdeckt man hier neben ein paar schon damals Etablierten nur wenige Namen, die heute noch bekannt sind: Was machen etwa Esther Gronenborn und Jobst Oetzmann, deren Filme man damals so interessant fand? Sechzig „Regisseure“ verlassen jedes Jahr die deutschen Filmhochschulen, ihre Abschlussfilme laufen oft in Hof, aber die wenigsten von ihnen werden ihren zweiten Spielfilm machen und später von der Arbeit als Regisseur leben können. Das deutsche Kino will Industrie sein, macht aber etwas, was sich keine echte Industrie erlauben könnte: Sie schafft permanente Überproduktion.
Es grummelt in der Branche
Stattdessen geht es um ehrliche Offenlegung der Verhältnisse, um klarere Trennung zwischen den verschiedenen Aufgaben der Filmförderung, zwischen Kulturförderung und Standortpolitik. Und es geht um mehr Aufmerksamkeit für den einzelnen Filmemacher. Denn auch hier werden Ressourcen und Begabungen verschwendet. Es grummelt schon lange in der Branche, die ersten Stimmen werden lauter, die einer echten kulturellen Förderung und deutlicherer Trennung zwischen Fernsehen und Kino das Wort reden - so vergangene Woche auf einer Veranstaltung des Produzentenverbandes „AG Dok“ in Leipzig, wo etwa Martin Hagemann, der auch Spielfilme produziert, eine „Revolution der deutschen Filmförderung“ propagierte und dafür sehr abgewogene, kluge und gut begründete Vorschläge machte.
Für die meisten der Filmemacher, die einen Film fertigstellen konnten, dienen Festivals wie Hof und Saarbrücken einstweilen als Durchlauferhitzer, durch die sie das Fernsehen, das nicht ausbildet, jagt, um die besten zu bekommen. Die dürfen dann einen „Tatort“ oder Fernsehfilm drehen, der Rest verschwindet im Betrieb, macht Werbung oder wechselt den Beruf.