Deutscher Fernsehpreis : Auf Selbstironie verfällt allein Thomas Gottschalk
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Preisgekrönt: Maybrit Illner Bild: dpa/dpaweb
Die Gala des Deutschen Fernsehpreises glückte vor allem dank ihres Moderators. Wenn Stars so vernünftig bleiben wie Gottschalk und der Ehrenpreisträger Udo Jürgens, dann ist dies ein Glück - nicht nur fürs Fernsehen.
In Jean-Paul Sartres "Ekel" glaubt Anny, die Exfreundin des Protagonisten, zunächst daran, daß man "perfekte Momente" inszenieren könne. Mit der richtigen Beleuchtung, dem passenden Dekor könne die krasse, kalte Existenz in einen kurzen Zustand der Schwerelosigkeit und der Relevanz versetzt werden.
Aber im Laufe des Romans kommt auch sie zu der Einsicht, daß nicht einmal das Theater perfekte Momente herstellen kann: Die Zuschauer leiden unter der engen Bestuhlung und denken an etwas anderes, die Schauspieler leiden unter der Zugluft und sehen nichts als Holz und Pappmaché.
Das ist bis heute das Grundproblem jeder Gala, auch der Fernsehpreisverleihung: das Imago des goldenen, strahlenden, perfekten Abends muß mit der Realität einer Mehrzweckhalle in Köln-Ossendorf versöhnt werden. Aber weil alle Geladenen solche Profis sind, gibt es keine Bemerkungen über das lange Warten in den zugigen Gängen unter dem Gestell der Zuschauertribüne, über die Biederkeit des Bühnenbilds aus gefalteter Goldfolie oder schlicht über die Dauer der ganzen Veranstaltung.
Jeder bekommt einen Preis
Einer sagt es immerhin: Thomas Gottschalk. Schon in der Pre-pre-Show kommt er auf die Bühne, ganz in Weiß, und sagt, es seien so viele Preise zu verleihen, daß jeder im Saal einen bekommen werde, und stellt, mögliche Pannen und Verzögerungen im Ablauf der Gala befürchtend, schon zu Beginn des Abends fest: "Ich kann für überhaupt nichts was!" Seine Selbstironie ist ein Segen: Immer wieder fand er Anlaß, über die an diesem Abend demonstrierte Einigkeit der Branche zu spotten. Und sein Gespür für Timing ist nahezu perfekt: Wenn eine Dankesrede oder eine Laudatio zu lang oder umständlich geriet, sah man ihn am Bühnenrand auf und ab tigern, als würde ihm das körperlich Unbehagen bereiten.
Diese schnelle, ironische Moderation schuf eine gewisse Durchlässigkeit zwischen dem zeremoniellen Rahmen und den auszuzeichnenden Werken, das war auch nötig. Manchmal war er schon eigenartig, dieser Kontrast: die Stilmittel einer Gala - Preispate, Laudatio, Tusch, Lichteffekte -, und dann folgen kurze Einspieler etwa aus "Abschnitt 40" oder "Die Sitte", Beispiele einer télévision noire, in denen ein kaltes Licht auf eine dunkle Welt scheint. Das Fernsehen hat sich im letzten Jahr oft hinausgewagt in die Gegenwart, es gab kaum eine heile Welt zu sehen und nur sehr selten "perfekte Momente" - allen Urteilen über Trash-TV, eskapistischen Tendenzen und einer generellen Irrelevanz des Mediums zum Trotz.
„Dittsches“ wahres Leben prämiert
Die Jury hat dieses Suchen nach der Wirklichkeit mit den Mitteln des Fernsehens auf erstaunliche Art honoriert: Der Comedy-Preis beispielsweise ging nicht an ein herkömmliches Stand-up- oder Sketch-Format, sondern an Olli Dittrichs schwieriges, wegweisendes "Dittsche", wo das wirklich wahre Leben eines Arbeitslosen im Bademantel mit der Optik einer Überwachungskamera aufgezeichnet wird und Pointen eher rar sind.
Paradoxerweise gelang Olli Dittrich dann eine der virtuosesten Dankesreden, flott und fehlerfrei vorgetragen, ohne überflüssige Koketterie, die Namen derer, denen er danken wollte, hatte er sofort parat. Aber diese nahezu klassische Dankesrede war Gottschalk noch eine Idee zu lang, man merkte, wie er unruhig wurde.