Richard Lester wird 90 : Ein Ständchen für den Tiger
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Ein Könner mit der Kamera: Richard Lester im Jahr 1974 Bild: Intertopics
Der Filmregisseur Richard Lester hat mit großen Stars und üppigen Budgets gedreht. Seine besten Arbeiten aber spielen im London der Swinging Sixties. Berühmt machten ihn zwei Filme mit den Beatles.
Es passt, dass ausgerechnet Steven Soderbergh das definitive Buch über Richard Lester verfasst hat – Soderbergh, der wie Lester ein Alleskönner des Kinos ist, nur in einer anderen, unübersichtlicheren Zeit. „Getting Away With It“ (auf Deutsch: „Wie man damit durchkommt“) ist der Form nach ein Gespräch zwischen zwei manischen Regie-Profis, in Wahrheit aber eine Arbeitsbiographie Lesters, der nicht nur seine Betriebsgeheimnisse verrät, sondern auch sein Interesse an außerfilmischen Fakten und Recherchen offenbart. Etwa daran, dass die Degen, mit denen die Kavaliere des siebzehnten Jahrhunderts hantierten, viel zu schwer für das kinoübliche tänzelnde Fechten waren – weshalb Lester seine Schauspieler in „Die drei Musketiere“ (1973) und „Die vier Musketiere – Die Rache der Mylady“ (1974) historisch-kritisch aufeinander einhacken und -stechen ließ.
Nicht, dass sich dadurch Stil und Tempo des Musketier-Diptychons wesentlich verändert hätten. Aber die Anekdote ist typisch für die Genauigkeit, mit der Lester sein Handwerk betrieb, von seinem Kinodebüt mit der Kalte-Krieg-Komödie „The Mouse on the Moon“ bis zu den „Superman“-Filmen der Achtzigerjahre. Lester war nie ein Autor-Regisseur im eigentlichen Sinn, viele seiner Filme sind Remakes oder Aktualisierungen klassischer Genre-Muster; aber der Instinkt für das Machbare und Glaubwürdige hat sich all seinen Arbeiten eingeprägt. Sein Kino bringt die Realität zum Tanzen, aber es bleibt immer die Realität.
Am schönsten zeigt sich das in den beiden Filmen, die er mit den Beatles gedreht hat. Statt die schon damals weltberühmte Band nur mit der Kamera zu umgarnen, entschied sich Lester in „A Hard Day’s Night“ für eine Mischform aus Revue und Dokument, die den Starrummel, an dem sie teilnahm, zugleich spielerisch zerlegte. In „Help!“ drehte er die Ironie noch einen Zacken weiter, indem er John, Paul, George und Ringo in eine Abenteuerklamotte verwickelte, in der Kino und Popkultur für eine Spielfilmlänge verschmolzen. Die Szene, in der die vier für einen Tiger Beethovens „Ode an die Freude“ singen, kann man sich immer wieder anschauen.
Damals war er eins mit seiner Zeit
Zwischen dem einen und dem anderen Beatles-Opus aber hat Lester 1965 den Film gedreht, der ihm einen Platz im Gedächtnis des Kinos sichert. „Der gewisse Kniff“, in dem Rita Tushingham mit zauberischer Unverfrorenheit eine Männer-WG aufmischt und Jacqueline Bisset, Jane Birkin und Charlotte Rampling ihr Leinwanddebüt feiern, ist das wahre Porträt der Swinging Sixties, die Momentaufnahme eines Aufbruchs, der sich bis in unsere Tage fortsetzt. In späteren Filmen hat Richard Lester mit größeren Stars – Audrey Hepburn, Raquel Welch, Faye Dunaway, Sean Connery –, grandioseren Kulissen (wie in der Musicalverfilmung „Toll trieben es die alten Römer“ oder dem Kreuzfahrt-Thriller „Achtzehn Stunden bis zur Ewigkeit“) und üppigeren Budgets gearbeitet; aber hier, auf den Straßen von London, war er eins mit seiner Zeit. Vielleicht war es das, was Soderbergh bei ihm gesucht hat. Heute wird Richard Lester neunzig Jahre alt.