
Kino-Kommentar : Die Gerächtigkeit des Equalizers
- -Aktualisiert am
Selbstgerechter Rächer: Denzel Washington bei der Premiere von „Equalizer 2“ in Madrid. Bild: EPA
In „Equalizer 2“ kämpft sich Denzel Washington als der gute Rächer durch die Kinos. Regisseur Antoine Fuqua sieht darin ein Gerechtigkeitsmotiv, aber um welche Form von Gerechtigkeit geht es hier?
Dieser Tage kommt ein Film in die deutschen Kinos, der gerade beim Festival in Locarno gezeigt wurde. Auf der von Arkaden und alten Häusern gesäumten Piazza Grande erschien dazu eigens der Regisseur, Antoine Fuqua. Beeindruckt von der stadtbürgerlichen Kulisse und siebentausend Zuschauern unter freiem Himmel, korrigierte er in seiner Antwort auf die Frage, worum es in seinem Film gehe, gleich die schweizerische Moderatorin.
Sie hatte den Film als einen über Rache angekündigt, wobei die Hauptfigur aber auch ihre guten Seiten habe. Das war sehr vom Gewaltmonopol des Staates her gedacht und sehr europäisch gefühlt. Fuqua dagegen: „Es geht der Hauptfigur weniger um Rache als vielmehr um Gerechtigkeit.“ Und das sei in der Welt von heute wichtig: „Wir brauchen mehr davon.“ Beifall des Publikums, das ihn danach zwei Stunden lang büßte.
Denn die Gerechtigkeit in „Equalizer 2“, so der Name des Films, ist diese: Denzel Washington gibt sich als Ex-CIA-Agent, inzwischen Mietfahrer und Faustrechts-Dienstleister, von Zeit zu Zeit auch selbst Aufträge, Gleichheit durch Schmerzen wiederherzuequalizen. Tötet dabei nolens volens, bricht Fingerknochen, sticht und schießt und sprengt und renkt Genicke aus. Natürlich nur böse Genicke, böse Finger, böse Leben.
Ankläger, Richter und Resozialisierungshelfer in Personalunion
Zwischendurch engagiert er sich zivilgesellschaftlich in der Restitution von Nazi-Raubkunst, er versucht, einen jungen Drogendealer maltherapeutisch sowie auf dem zweiten Bildungsweg wieder auf den Pfad der Tugend zu bringen, und bepflanzt auch einen von Vandalen verwüsteten Hinterhof im Problemquartier neu. Kein Wunder, dass der Equalizer den ganzen Film über nicht dazu kommt, im ersten Band von Prousts „Recherche“ zu lesen.
Die Gerechtigkeit, von der wir, Fuqua zufolge, mehr brauchen, ist eine diesseits der Gewaltenteilung. Ihr ebenso melancholischer wie brutaler Funktionär ist Zeuge, Ermittler, Ankläger, Geschworener, Nebenkläger, Richter, Strafvollzieher und Resozialisierungshelfer zugleich. Dass es ein Einzelner nicht nur richten kann, sondern dass es nur ein Einzelner zu richten vermag, wird als tiefe Überzeugung eines Films erkennbar, der damit nicht untypisch ist für das amerikanische Blockbuster-Kino.
Die selbstgerechte Rache des Guten
Eine ganze Stadt, ein ganzes Land, eine ganze Welt sollen rettbar sein durch das nur vom Leben, aber von sonst niemandem geprüfte Individuum. Alles, und zwar definitiv, aus einer moralisch qualifizierten Hand – das ist das Angebot, das wir nicht sollen ablehnen können, wenn seine Erfüllung so vorgeführt wird. Brauchen wir von dieser Gerechtigkeit als Rache der Guten wirklich viel mehr?
Denzel Washington hat in seiner Laufbahn noch nie einen Folgefilm gedreht. Bislang unterschied ihn auch das von Kollegen wie Bruce Willis, Liam Neeson oder Keanu Reeves, die das Selbstgerechtigkeitsgewerbe dominieren. Sollte Washingtons Regisseur mit „Wir brauchen mehr davon“ auch nur gemeint haben, wir bräuchten noch mehr solcher Filme, dann müssten wir darum widersprechen: Wir haben sie leider alle, auch Equalizer 3, schon gesehen.
