Film „Corpus Christi“ : Psalm Nummer Dreiundzwanzig
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Falscher Priester: Bartosz Bielinia Bild: Arsenal
Ein junger Mann kommt aus dem Gefängnis und wird für einen Priester gehalten. In Jan Komasas Film „Corpus Christi“ füllt Bartosz Bielinia diese Rolle besser aus, als es ein bloßer Betrüger je könnte.
Ein junger Mann namens Daniel hat ein besonderes Talent. Er kann den Psalm 23 so singen, dass sich alle davon getröstet fühlen, selbst die wirklich harten Jungs im Gefängnis, in dem Daniel gerade sitzt. „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“ – das heimliche Leitmotiv für den Film „Corpus Christi“ von Jan Komasa. Daniel steht kurz vor der Haftentlassung auf Bewährung. Und er würde nun am liebsten ganz in den Dienst Gottes treten. Bisher war er nur Messdiener bei einem Häftlingsseelsorger, nun möchte er selbst Priester werden. Aber das geht nicht, nicht mit seiner Vorstrafe. Stattdessen soll er sich bei einem Sägewerk in der tiefen polnischen Provinz melden. Er steht dann dort auch schon fast vor der Tür, macht aber noch einmal kehrt, und geht zur Dorfkirche. Und in diesem Moment sorgt der Herr zum ersten Mal für ihn.
Er lässt es nicht mangeln an ein paar Zufällen, die es mit sich bringen, dass Daniel, der aus dem Gefängnis noch einen Klerikerkragen bei sich trägt, für einen Geistlichen gehalten wird. Der alte Vikar wähnt einen jungen Pilger vor sich und bittet ihn prompt, ihn ein paar Tage zu vertreten. Mit seinen kurz geschorenen Haaren und seinem stechenden Blick kann man den jungen Mann ohne Weiteres für einen Asketen halten. Dass er auch unter Rowdies bestehen könnte, ahnt natürlich niemand.
Schon früh lässt Jan Komasa das entscheidende Stichwort fallen. Unter den christlich Gläubigen können alle Priester sein, Männer, Frauen, Geweihte und auch Sünder. Das allgemeine Priestertum war nie ganz vergessen, wurde aber in der Aufbruchsperiode der Katholischen Kirche rund um das Zweite Vatikanum wieder stärker in den Vordergrund gerückt. Jan Komasa und der Drehbuchautor Mateusz Pacewicz machen sich mit „Corpus Christi“ erzählend Gedanken darüber, wie in einem konservativ katholischen Land wie Polen so etwas wie ein Priestertum von den Rändern der Gesellschaft her aussehen könnte. Wie wichtig der Ortspfarrer als soziale Figur immer noch ist, konnte man kürzlich zum Beispiel auch der Serie „Signs“ entnehmen, die auf Netflix läuft, und die deutlich auf ein repräsentatives Soziogramm des heutigen, ländlichen Polen hinaus will.
Der falsche Priester als Rockstar
Die Welt, in die Daniel kommt, gleicht der von „Signs“ in vielerlei Hinsicht. Es gibt einen mächtigen Bürgermeister, der fast so etwas wie ein lokaler Magnat ist, ihm gehört klarerweise das Sägewerk. Es gibt Jugendliche, die sich in der Kirche nie blicken lassen, und die es auf ihren Partys ordentlich krachen lassen. Und es gibt den Pfarrhaushalt, eine Frau namens Lidia sorgt dafür, dass der selbstverständlich zölibatär lebende Priester zumindest leiblich nicht verhungert.