Der iranische Film „A Hero“ : Held für einen Tag
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Noch steht das gefundene Gold nicht zwischen ihnen: Sahar Goldoust als Farkhondeh und Amir Jadidi als Ramin in „A Hero“ Bild: Neue Visionen
Asghar Farhadis neuer Film wird von einem Rechtsstreit wegen Plagiatsvorwürfen überschattet. Trotzdem ist „A Hero“ ein Meisterwerk.
Am vergangenen Montag wurde Asghar Farhadi in Teheran wegen Verletzung des Urheberrechts verurteilt. Das Gericht befand ihn schuldig, für seinen Film „A Hero“ eine Dokumentation plagiiert zu haben, die eine seiner früheren Studentinnen vor sieben Jahren gedreht hat. Solche Urteile bekommen im Westen leicht einen politischen Beigeschmack, zumal Farhadi nicht zu den Lieblingen des iranischen Regimes gehört, dessen politisches Versagen er in den Gesellschaftspanoramen seiner Filme schonungslos offenlegt. Aber in diesem Fall ist die Sachlage komplizierter.
Farhadi hatte Azadeh Masihzadeh, die Autorin der Dokumentation, vor Beginn der Dreharbeiten zu „A Hero“ eine Art Verzichtserklärung unterschreiben lassen. Als Masihzadeh den fertigen Film sah, reichte sie dennoch Klage ein. Farhadi reagierte mit einer Gegenklage wegen Verleumdung. Im Fall einer Verurteilung hätten Masihzadeh zwei Jahre Haft und vierundsiebzig Peitschenhiebe gedroht. Sie wurde freigesprochen. Für Farhadi bedeutet der Richterspruch, dass er als Ko-Produzent des Films sämtliche Kinoeinnahmen aus Iran an die Klägerin überweisen muss. Sein Anwalt teilte unterdessen mit, das Urteil sei nur ein Zwischenstand, das Verfahren laufe weiter.
Das klingt nach einer Farhadi-Geschichte. Und tatsächlich hat der Prozess, der um „A Hero“ geführt wird, mit dem Drama, das der Film schildert, einiges gemein, nur dass es auf der Leinwand nicht um Autorenrechte, sondern um Ruf und Ehre geht, um die soziale Hülle des Ichs. Aber das Geld spielt in beiden Fällen eine Hauptrolle. Im Film ist es die Summe, die Rahim, ein bankrotter Kleinunternehmer, seinem Ex-Schwager zurückzahlen muss, wenn er seine Gefängnisstrafe verkürzen will. Auf einem Freigang ergibt sich die Gelegenheit, denn Rahims Freundin Farkhondeh hat an einer Bushaltestelle eine Tasche mit Goldmünzen gefunden. Doch der Betrag, den er damit erlösen könnte, reicht nicht hin; außerdem bekommt Rahim Skrupel.
Per Aushang sucht er nach der Besitzerin des Goldes, und als eine Frau sich meldet, händigt er ihr die Tasche aus. Sein Betreuer im Gefängnis erfährt davon und erzählt die Geschichte einem Radioreporter. Rahim wird zum Helden des Tages. Doch er hat die Rechnung ohne seinen Schuldner gemacht. Als er seine gute Tat beweisen soll, findet er die Frau nicht mehr, der er das Gold gegeben hat, und eine Notlüge, mit der er Farkhondeh beschützen will, macht ihn zur Hassfigur der sozialen Medien.
Die Felsengräber der Könige als Schlüsselbild
Farhadi entwickelt die Moritat vom Aufstieg und Fall eines Jedermanns mit derselben unbarmherzigen Genauigkeit, mit der er in „Alles über Elly“ und „Nader und Simin“ die Moralbegriffe des Teheraner Bürgertums seziert hat. In „A Hero“ aber legt er zusätzlich einen visuellen Schlüssel zur Entzifferung der Geschichte bereit. Der Film beginnt an den Felsengräbern von Naqsch-e Rostam, wo die Könige des Achämeniden- und Sassanidenreichs ihre Inschriften und Reiterreliefs in Stein hauen ließen. Zweieinhalb Jahrtausende später bilden Radio, Fernsehen und Internet die vergänglichen Felswände des Ruhms. Aber so rasch, wie Rahims Spur verblasst, so präzise leuchtet die Erzählung, die seinen Sturz begleitet, die dunklen Bildhintergründe der iranischen Gegenwart aus, die durch die Sanktionen des Westens ausgelöste Wirtschaftskrise, die Misere des Strafvollzugs, die Alltagsheuchelei einer von veralteten Normen geprägten Gesellschaft.
Die wahre Geschichte, auf der „A Hero“ basiert, wurde von Azadeh Masihzadeh zuerst verfilmt. Aber erst Farhadi hat ihr ein Gewicht gegeben, das über den Einzelfall hinausreicht. Der juristische Streit um die Autorschaft geht weiter. Die künstlerische Konkurrenz hat der Film schon gewonnen.