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AfD-Doku „Volksvertreter“ : Angetreten, um zu quälen

„Gestehe, dass ich glücklich bin“: Armin-Paul Hampel in investigativer Mission auf Samos Bild: Wilckefilms

„Sinnentleeren ist etwas Wunderschönes“: Im Dokumentarfilm „Volksvertreter“ diskreditieren sich vier AfD-Politiker selbst.

          4 Min.

          Ein schnöder Konferenzraum, auf dem Tisch stehen Fahnen der Bundesländer. Verhandelt wird über Identität. Philosophische Überlegungen werden angestellt: Haben Kinder schon eine Identität – im Sinne einer kulturellen Identität als Deutsche? Schweigen, Rascheln, eigentlich nein, ist das nicht ein Prozess? So richtig sicher ist sich niemand. Schließlich das finale, für seine Partei charakteristische Argument von Götz Frömming, dem bildungspolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion: „Da kommen die anderen Schlaumeier und sagen, wir schreiben eine neue, multikulturelle Identität – wenn eure Kinder sowieso keine Identität haben.“ Besser, „im Sinne von Goethes Entelechiegedanken“ zu sagen: „Die haben die eigentlich schon.“

          Elena Witzeck
          Redakteurin im Feuilleton.

          In den letzten Tagen hat die AfD mal wieder etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen. Erst vergangene Woche erschienen die „AfD Leaks“, eine Auswertung von 40 000 internen Chatnachrichten der Bundespolitiker der Partei in der letzten Legislaturperiode. Die Protokolle aus dem Chat, dem seit ihren ersten Tagen im Parlament bis nach der letzten Bundestagswahl mehr als 70 der 92 Abgeordneten angehörten, zeigen eine Partei, in der gegen Vorstand und Kollegen gehetzt wird, die von Rachephantasien und Homophobie, Hohn und Selbstmitleid getrieben ist. So weit, so vorhersehbar.

          Nun erscheint beinahe zeitgleich eine Arbeit des Dokumentarfilmers Andreas Wilcke, „Volksvertreter“. Wilcke hat den Film allein und ohne Förderung gedreht und daraus anders als das „AfD­Leaks“-Team von NDR und WDR eine kommentarlose Verhaltensstudie entworfen, die vier AfD-Politiker in ihren ersten Jahren im Bundestag begleitet: Norbert Kleinwächter, Lehrer und inzwischen stellvertretender Fraktionsvorsitzender, Götz Frömming, ebenfalls Lehrer und parlamentarischer Ge­schäfts­führer mit mehr als 17 000 Twitter-Followern, Armin-Paulus Hampel, ehemals Journalist und außenpolitischer Sprecher, inzwischen nicht mehr im Bundestag, und Enrico Komning, Rechtsanwalt, der im Wirtschaftsausschuss sitzt und mittlerweile parlamentarischer Geschäftsführer ist. Auch Wilckes Dokumentation beginnt 2017 mit den ersten Tagen im Bundestag, im „Elfenbeinturm“, wie die AfDler sagen, mit Spott in der Stimme als schnelle Maßnahme gegen den Respekt, den die Institution ihnen in ihrer plötzlichen Präsenz einflößt.

          Wer Höcke seinen Freund nennt

          Wilcke hat sich für verschiedene Charaktere entschieden, die politischen Lager der Porträtierten spielten eine nachgeordnete Rolle. Kleinwächter ist der Mann, auf dessen Tasse „Monsieur le Président“ steht und den die Wörter seiner eigenen Rede rühren, Hampel der Elder Statesman, der Schiller zitiert. Es gibt aber auch Parteikollegen in ihrem Umfeld, die keinen Schimmer davon haben, was es bedeutet, wenn sich eine Bundeskanzlerin einer Regierungsbefragung stellt. Dann ist da der galante Frömming, der früher bei Greenpeace mitmachte, und Komning, der Björn Höcke seinen Freund nennt. Wie Komning T-Shirts entwirft, auf denen „Kommando Komning“ stehen soll, wie Hampel vor Publikum erklärt, dass Kitas nicht dazu da seien, Kinder möglichst gut zu versorgen, sondern sie zu indoktrinieren, wie Kleinwächter beim Bürgerdialog in Berlin die Herkunftsländer der Fußballnationalspieler vorliest und zulässt, dass seine Zuhörer wüste rassistische Beschimpfungen ausstoßen: All das geschieht im Beisein der Kamera.

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