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Hohenzollern und Historiker : Die Sprache der Gerichte

1877 wurde im Berliner Schloss Monbijou das Hohenzollernmuseum eröffnet, das den Untergang der Monarchie überlebte. Die Gegenstände blieben Eigentum der Familie, die Republik unterhielt das Museum. Dauerleihgaben aus diesem Bestand gehören zur Verhandlungsmasse in den derzeit unterbrochenen Gesprächen zwischen Familie und öffentlicher Hand. Das sogenannte Luisenzimmer wurde im November 1934 aufgenommen. Bild: Picture-Alliance

Es gibt noch klare Worte in Berlin: Das Kammergericht entscheidet gegen Georg Friedrich von Preußen und für einen Historiker, der die Idee eines Mitspracherechts der Hohenzollern bei der Darstellung der Familie kritisiert.

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          Der Historiker Winfried Süß ist ein Spezialist für die Geschichte des Nationalsozialismus und insbesondere die Behördengeschichte. Am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam leitet er mit einer Kollegin die vierte der vier Abteilungen des Instituts, die das Thema „Regime des Sozialen“ bearbeitet, definiert als „Strategien und Praktiken der Regulierung sozialer Prozesse im zwanzigsten Jahrhundert“. Am 26. Juli 2019 wurde er im Radiosender NDR Kultur zu dem Gerichtsverfahren befragt, in dem Georg Friedrich Prinz von Preußen Entschädigung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz verlangt.

          Das Land Brandenburg hatte damals die Fortsetzung des Verfahrens beantragt, weil Verhandlungen über eine außergerichtliche Einigung ge­scheitert waren. Zu der nach dem Gesetz entscheidenden Frage, ob der in der Sowjetischen Besatzungszone enteignete frühere Kronprinz Wilhelm dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub geleistet hat, sagte Süß mit Blick auf die dazu einzuholenden Gutachten von Historikern: „Da wird es mit Sicherheit einen Konflikt geben, weil das, was Historiker dazu vortragen, sich möglicherweise nicht so gut in die Sprache der Gerichte einfügen wird.“

          Forderungen anlässlich von Forderungen

          Süß selbst wurde infolge seines Interviews Partei eines Konflikts, als ein Satz, den er im Radio vorgetragen hatte, auf Antrag von Georg Friedrich von Preußen in der Sprache der Gerichte geprüft wurde. Zu den von der Familie bei Gelegenheit der Entschädigungsforderungen gestellten weitergehenden Forderungen teilweise auch kulturpolitischen Charakters sagte Süß, viele von ihnen seien „hochproblematisch, zum Beispiel die Idee, dass es ein Mitspracherecht bei den historischen Darstellungen der Familie gibt, wenn diese Darstellungen durch Einrichtungen der öffentlichen Hand vorgenommen werden“.

          Georg Friedrich von Preußen erwirkte eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin, das diese Äußerung als unwahre Tatsachenbehauptung einstufte. Es ist typisch für die Regulierung des sozialen Prozesses des Meinungsstreits über öffentlich bedeutsame Angelegenheiten durch das spezielle gerichtliche Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes, dass das Landgericht die Worte von Süß auf die Goldwaage legte, aber selbst nur durch seine Entscheidung sprach. Zu den Gründen führte sein im „Hohenzollern Wiki“ des Historikerverbands einsehbarer Beschluss vom 12. November 2019 nichts aus; die Kammer machte sich die Ansicht des Antragstellers zu eigen, der Vertragsentwurf, der als Forderung nach ei­nem Mitspracherecht verstanden worden ist, habe „ganz normale Regelungen“ zum Umgang mit Leihgaben enthalten. Der Regelungsvorschlag wurde von der öffentlichen Hand ab­ge­lehnt, und wie normal er war, ist eine Frage von Meinung und Gegenmeinung. In diesem Sinne hat jetzt das Kammergericht als Berufungsinstanz die Sache bewertet.

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