Kälte als Sehnsuchtsziel : Eislauffieber
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Mit Karacho durch die Gärten: Beim Elfstedentocht haben auch die Zuschauer ihre Freude Bild: dpa
Die Niederländer hatten so auf weiterhin eisigen Frost gehofft. Nur dann hätte der „Elfstedentocht“ stattfinden können: eine mythische Zweihundert-Kilometer-Tour über zugefrorene Seen und Kanäle.
Ganz Europa bibbert im Kältewinter. Ganz Europa? Millionen Niederländer treibt derzeit nur eine Angst um: dass es bald Tauwetter gibt. Denn nur bei anhaltender Kälte kann das Großereignis stattfinden, das ganz Holland elektrisiert: der Elfstedentocht. Erst fünfzehnmal war es in den letzten 103 Jahren winterlich genug, um die mythische Zweihundert-Kilometer-Tour entlang der elf historischen Städte Frieslands zuzulassen. Unvergessen ist die „Hölle von 1963“, als sich im Schneesturm nur neunundsechzig von zehntausend Läufern am Ende das begehrte Teilnehmerkreuz abholen konnten; alle anderen hatten aufgegeben.
Eislaufen über die Grachten ist bei unseren Nachbarn kein Sport, sondern ein Teil der Identität, welcher sich zur Raserei steigern kann. Ähnlich der Tour de France in Frankreich, nur etwa fünfzehnmal so selten und darum auch fünfzehnmal fanatischer. Das Winteridyll ganzer Dörfer auf dem Eis, wie es die altniederländische Malerei schon vor Jahrhunderten festhielt, hat nur einen meteorologischen Nachteil: Das kalte Vergnügen fiel in die sogenannte Zwischeneiszeit, die über drei Jahrhunderte frostige Winter garantierte.
Wird das Eis fünfzehn Zentimeter dick?
Zu Zeiten der Klimaerwärmung wird ein „Elfstedenwinter“ indes zur Rarität. Am 4.Januar 1997 konnten zehntausend Starter das letzte Mal durchs platte Friesland gleiten, vom Start in Leeuwarden in großer Runde bis Dokkum und wieder retour. Heißes „Elfstedenfieber“ hat das kalte Land erfasst, seit die Eisweisen der veranstaltenden Clubs auch nur die Möglichkeit andeuteten, es könnte 2012 wieder klappen. Seither wird an allen Schwachpunkten gemessen, ob bei starken Frösten das Eis nicht endlich auf die geforderten fünfzehn Zentimeter Dicke anwachsen will.
Am Mittwoch fegten sogar Soldaten zwischen Woudsend und Elahuizen den wärmenden Schnee von der Gracht, damit vielleicht doch noch der Jubelruf erschallen möge: „It sil heve!“ - es soll stattfinden. Sollte sich der Schnee von gestern tatsächlich ins Eis von morgen verwandeln, dann bedeutet das: medialer Overkill, Ausnahmezustand. Im Parlament hat der rechte Parteichef Geert Wilders gar beantragt, den Elfstedentocht zum nationalen Feiertag zu erklären. Da wäre es dem Kulturapostel Wilders sogar recht, wenn islamische Läuferinnen das Rennen mit Kopftuch absolvieren. Schon allein wegen der Kälte.
Die Veranstalter haben das Eislaufrennen über die zugefrorenen Kanäle der Provinz Friesland inzwischen vorerst abgesagt, wie niederländische Medien an diesem Donnerstag berichteten. Das Eis sei an vielen Stellen zu dünn und könne nicht betreten werden. Das Großereignis war für diesen Sonntag geplant. Dass das Rennen in diesem Winter noch ausgetragen wird, sei unwahrscheinlich.