John Schellnhuber wird 70 : Der Philosoph der Apokalypse
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Schellnhuber auf dem 37. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dortmund. Bild: dpa
Er ist der Schöpfer des Zwei-Grad-Klimaziels und im Diskursraum zwischen Politik und Wissenschaft seit dreißig Jahren der Anführer einer längst planetaren Bewegung. John Schellnhuber zum Siebzigsten.
Klimaschutz ist jetzt Mainstream. So etwas ist schnell dahergesagt, und solche Analysen gab es nach den Jubelorgien über das „Wumms“-Konjunkturpaket der Regierung ja durchaus. Nur hat man eben nicht ihn gefragt, Hans Joachim Schellnhuber, der sich schon einige Gedanken dazu gemacht hat, wie wir aus der Corona-Krise heraus direkt zur Lösung der ultimativen zivilisatorischen Bedrohung kommen könnten. Ein Erdsystemanalytiker wie er kann sich jedenfalls über Elektroautoprämien und Wasserstofftechnik nicht freuen, solange der große Karren nicht in die richtige Richtung fährt. Und das tut der auch nicht. Deshalb hätte Schellnhuber nach einem vollmundigen Lob über den erstaunlich lebendigen politischen Willen sofort die planetare Perspektive eingenommen und darauf verwiesen, was die klimatologischen Spatzen aktuell von den Dächern pfeifen: Die Überhitzung der Erde geht dramatisch weiter, der Mai war weltweit schon wieder der wärmste, der je gemessen wurde.
Viele, die sich mit solchen Fragen ungern beschäftigen, fragten sich vor einiger Zeit, als Schellnhuber emeritiert und als die intellektuelle Speerspitze der deutschen Klimaforschung etwas in den Hintergrund getreten war, ob das nun das Ende des professionellen Apokalypsen-Lobbyismus in Berlin sein werde. Natürlich war es das nicht. Denn der berufsmäßige Apokalyptiker, den andere bald nur noch in ihm sehen wollten, hatte nie wirklich eine ideologische, sondern eine aufklärerische und am liebsten sogar konstruktive umweltpolitische Mission.
Im Zuge eines Workshops über Wissenschaftskommunikation und Klimamodelle Anfang der neunziger Jahre, Schellnhuber war da noch als Theoretischer Physiker an der Universität Oldenburg beschäftigt und doch schon mit der Gründung des inzwischen berühmten Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung betraut gewesen, hatte er dem Autor seine klimaphilosophische Überzeugung verraten: Den Gesetzen der Physik kann sich keiner entziehen, weder das Wetter noch der zweifelnde Mensch.
Am Ende waren es aber eben gerade nicht die Algorithmen, Daten und Modelle, die seinen wissenschaftlichen Aufstieg möglich gemacht haben, sondern Worte und Bilder, die ihn zum politischen Berater in Berlin und Brüssel machten und ihn nach Paris, Washington, Peking und als Akademiemitglied in den Vatikan führten. Schlüsselbegriffe, die bis heute den Diskurs um die Zukunft des Planeten prägen, Worte wie „2-Grad-Ziel“, „Heißzeit“, „Kippelemente“ oder die „planetaren Leitplanken“, die einzuhalten er sich so sehr wünscht von der Generation, die wirtschaftet und gestaltet wie er. Am Sonntag wird Hans Joachim alias „John“ Schellnhuber siebzig Jahre alt.