Italiens mächtige Influencer : Wer hat Angst vor Ferragnez?
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Bis vor kurzen schreckten die meisten Lifestyle-Influencer aus Angst, Follower oder Markenpartnerschaften zu verlieren, vor kontroversen Postings zurück. Die Ereignisse des vergangenen Jahres, der Mord an George Floyd, die US-Wahlen, der Widerstand gegen Vorkehrungen zur Eindämmung von Covid-19 sowie der Erfolg von QAnon, haben die Publikumserwartungen jedoch verändert und die Inhalte vieler Influencer politisiert, zeigt eine Studie der Universität Austin. Für die Forscher war 2020 „das Jahr der politischen Influencer“. Für Deutschland hat die Konrad-Adenauer-Stiftung Ähnliches festgestellt. Die einen verweigerten sich den Verschwörungstheorien, andere verbreiteten sie weiter und hielten ihre Follower im typischen Verschwörungsduktus dazu an, selbst Nachforschungen anzustellen sowie Mainstream-Medien, Regierung und Wissenschaft in Frage zu stellen. Zur Influencer-Kultur, die auf vermeintlicher Authentizität und Individualität basiert, passen solche Selbstermächtigungsbotschaften. Während des amerikanischen Wahlkampfes nutzten Vertreter aus beiden politischen Lagern dieses Image und bezahlten Influencer, für das Anliegen der Kandidaten zu werben.
Unheimlicher Aktivismus
Influencer können bei Wahlen das Zünglein an der Wage sein – vor allem, wenn sie eine Koalition mit 36,1 Millionen Followern bilden wie die Ferragnez (auch wenn es in diesem Fall sicher große Überschneidungen gibt). Und so gab es laute „Bravo Fedez!“-Rufe von Politikern aller Couleur nach dem Konzert vom 1. Mai. Matteo Salvinis Versuch, Stimmung gegen Fedez zu machen, fegte ein Shitstorm hinweg. Fedez und seine Frau bewegen sich längst außerhalb der Sphäre, in der man eine Person auf diese Weise angreifen kann. Sie sind auch keine Partei, und sie sind nicht ideologisch: Sie sind ein begehrtes Produkt auf dem Markt, und ihre Stärke ist, genau das erkannt zu haben. Früher war Macht, die auf Sichtbarkeit beruht, an ein System gebunden, das sie hervorbrachte – eine Partei, ein Fernsehsender, eine Plattenfirma. Das verlieh ihr Kraft, begrenzte sie aber auch. Die Ferragnez haben sich selbst erzeugt. Sie müssen weder Fernsehzeiten einhalten noch um einen Platz in einer Talkshow buhlen. Sie haben es nicht einmal nötig, Interviews zu geben. Die Kommunikation sind allein sie selbst, und das macht ihren Aktivismus so unheimlich.
Zwar rückt er auch Themen, die sonst im Hintergrund bleiben würden, in die breite Öffentlichkeit. Das geschieht jedoch immer mit einer extremen Vereinfachung der Sachverhalte und so laut, dass andere Stimmen nicht mehr hörbar sind. Der Fokus liegt auf Geschichten, nicht auf Diskussion. Die Ferragnez behaupten, anderen „die Augen öffnen“ zu wollen. In Wirklichkeit benutzen sie den Appetit ihrer Follower auf Empörung und verwenden sie als riesiger Verstärker eigener Interessen.
„Sind die Ferragnez eine Gefahr für die italienische Demokratie?“, fragte kürzlich ein italienischer Kommentator. Seine Antwortet war ein „Nein, noch nicht“. Das könnte sich ändern, wenn die Politik Influencer noch stärker in ihren Reihen willkommen heißt. Denn dann werden Chiara Ferragni und Fedez sicherlich die Trendsetter dieser neuen Mode sein. Die Frage, ob er jetzt eine politische Karriere anstrebe, hat Fedez gerade klar verneint. „Auf der Liste der Dinge, die meine Frau und ich zu tun haben, kommt der Einstieg in die Politik direkt nach dem Beruf des Kricketspielers“, sagte er in einem Video. Auf ihren Hund zeigend, fügte Ferragni hinzu: „Es ist wahrscheinlicher, dass Maty in die Politik geht.“ Möglicherweise ist ja sie selbst die Kandidatin.