Italienische Oper : Hooligans
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Denkwürdiger Abend: Cecilia Bartoli kehrte am Montag nach neunzehn Jahren Absenz in die Mailänder Scala zurück. Man empfing sie, als gehöre sie zur Auswärtsmannschaft.
Im Fußballstadion haben die Mailänder derzeit wenig Anlass zum Brüllen. Die Traditionsmannschaften von Inter und Milan, die vor ein paar Jahren in Europa führend waren, dümpeln im Mittelmaß. Doch da gibt es ja noch die Oper. In der Mailänder Scala gab es am Montag bei der Eröffnung der Konzertsaison einen Eklat: Cecilia Bartoli, die das Haus nach neunzehn Jahren Absenz wieder mit einem Auftritt beehrte, wurde nach der Pause von einer kleinen, aber lautstarken Gruppe von Tifosi systematisch ausgebuht.
Einer der legendären Scala-Wettkämpfe zwischen Bravos und Buhs zog sich bis zur Zugabe hin, welche die Bartoli ohne Wimpernzucken ihren Fans im Publikum darbot. Daniel Barenboim am Pult des Scala-Orchesters, dessen moderne Instrumente die Sängerin andernorts für Händel-Arien sicher nicht akzeptiert hätte, musste das tobende Publikum um Ruhe ersuchen: „Wir sind hier in der Oper.“ Einer der berühmtesten Sängerinnen der Welt, die zehn Millionen Tonträger verkauft, im Ausland mit Preisen überhäuft wird und gerade für die Makellosigkeit ihrer Auftritte gerühmt wird, muss solch ein Empfang in der Heimat weh tun.
Amerikanische Tingeltangelsängerin
Hinterher sprach sie kühl von einem „denkwürdigen Abend“. Aber der Eklat durch den berüchtigten „Loggione“ in den oberen Stammkundenrängen der Scala hat auch Gründe - wenngleich sie wenig mit dem Konzert zu tun haben. Die Bartoli ist mit einem Schweizer verheiratet und lebt in Zürich, wo sie an der Oper singt - das ist für eingefleischte Loggionisti schon ein Affront. Dazu nimmt die Diva kein Blatt vor den Mund, zieht über die Kulturpolitik Italiens her und kritisiert den vulgären Berlusconismus.
In Berlusconis Heimatstadt kommt das bei konservativen Kreisen ebenso wenig an wie die Tatsache, dass die Bartoli in Salzburg den Mailänder Hausgott Riccardo Muti als Intendantin der Pfingstfestspiele beerbte. Damals schon schrieb der bekannte Musikkritiker Paolo Isotta voll Abscheu von der „amerikanischen Tingeltangelsängerin“. Wo die Prophetin im eigenen Land so wenig gilt, war zu erwarten, dass manche Fanatiker ihr Mütchen gern auch einmal live kühlen wollten und darum zu Rossini-Arien dreist „Va a casa“ brüllten - geh nach Hause! Die italienische Musikkritik ist entsetzt. Neunzehn Jahre dürften nicht genügen, bis die Bartoli sich bei den Mailänder Fußballästheten wieder sehen lässt.