Italien nach der Wahl : Es ist einfach zum Verzweifeln
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Silvio Berlusconi Bild: REUTERS
In Italien herrscht nach der Parlamentswahl politisches Chaos. Und genauso haben es die degenerierten Parteien gewollt. Denn nun können sie mit ihrer Plünderung des Landes weitermachen.
Italien ist ein Paradies, das von Teufeln bewohnt wird. Die Wahlergebnisse vom Montag stützen diese - nur leicht abgewandelte - Erkenntnis des Philosophen Benedetto Croce. Unregierbarkeit durch unterschiedliche Mehrheiten in beiden Kammern der Volksvertretung; mehr als fünfzig Prozent der Stimmen für Gegner Europas, ein Viertel für die Anarchisten Grillos, ein Drittel für die Steuerverweigerer von Berlusconi; ein Absturz für die besonnene Sparpolitik des Premiers Monti und de facto eine saubere Dreiteilung zwischen unvereinbaren Lagern: viel chaotischer und konfuser hätte es wahrlich nicht kommen können. Und doch haben die italienischen Teufelchen keineswegs irrational gewählt. Aus den Zahlen lassen sich einige klare Erkenntnisse extrapolieren. Denn auch im Populistenparadies Italien herrschen politische Gesetze.
Die erste Wahrheit liegt in den etwa zehn Prozent für Mario Monti. Diese Zahl besagt, dass gerade einmal einer von zehn Italienern dafür ist, Staatsschulden abzuzahlen, ehrlich Steuern zu entrichten, Beamte abzubauen und Monopole und Vetternwirtschaft in der Wirtschaft zu bekämpfen. Das genau war Montis Programm, das immerhin drei Millionen Freunde fand - wohingegen das enttäuschende Linksbündnis von Pier Luigi Bersani nicht viel anders als Berlusconi ein Ende der gerade begonnenen Sparpolitik verkündet hatte. Was den Umkehrschluss erlaubt: Neunzig Prozent der Italiener sind explizit gegen einen modernen, funktionierenden Staat nach skandinavischem Muster.
Sieg der Abschottung
Diese Dimension des italienischen Sonderwegs, der sich in Europa nur mit dem griechischen vergleichen lässt, ist erschreckend genug. Doch kommt hier die Zahl der gleichauf bei jeweils dreißig Prozent verharrenden Ideologieblöcke erschwerend hinzu. Politologen bestaunen schon seit Jahren die Anomalie, dass es in Italien keine Wechselwähler gibt. Wer als Rechter geboren wurde, dem fällt eher die Hand ab, als dass er sein Kreuzchen bei den „Kommunisten“ macht, selbst wenn es die seit Jahrzehnten gar nicht mehr gibt. Und umgekehrt vermag auch ein noch so blasser und schwacher Parteisoldat - wie diesmal Bersani - seine linke Klientel immer zu mobilisieren. Aber auch nur die.
Bisher entschied sich eine Wahl in Italien also über das Daheimbleiben unzufriedener Anhänger. Im Spätherbst freilich gab es einen linken Kandidaten, der diesen Fluch durchbrochen hätte. Matteo Renzi, charismatischer, unideologischer Bürgermeister von Florenz und in den großen Fußstapfen Obamas unterwegs, verlor bei den Vorwahlen allerdings glatt gegen Bersani, der jenseits der Partei noch nie aufgefallen war. Auch hier also siegte die Abschottung vor der modernen Wirklichkeit. Italiens notorisch autodestruktive Linke zog einen Lagerwahlkampf hinter einem alten Langweiler einem unideologischen Aufbruch vor - und verschenkte so den Sieg.