Israel : Graben, um zu bleiben
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Schwierige Nachbarschaft: Ausgrabungen in Tel Rumeida. Bild: EAPPI/D. Peschel
Die Archäologie im besetzten Westjordanland blüht, weil jüdische Siedler hier ihre historische Legitimation suchen. Die Unterstützung des israelischen Staates ist ihnen gewiss.
Archäologische Forschung wird im Nahen Osten gern zum Staatsgeheimnis erhoben. Das war schon so, als Lawrence von Arabien oder Max von Oppenheim in der Region unterwegs waren. Ein Staatsgeheimnis blieben in Israel jahrzehntelang auch die Ausgrabungen, die israelische Archäologen nach 1967 in den besetzten Gebieten im Westjordanland durchgeführt hatten. Erst im Jahr 2007, nachdem die Tel Aviver Altertumsforscher Raphael Greenberg und Adi Keinan das Recht auf Akteneinsicht in der „Zivilverwaltung in Judäa und Samaria“ – seit 1981 offizielle Bezeichnung der israelischen Besatzungsbehörde – eingeklagt hatten, konnten sie die Geheimnisse der vorangegangenen Jahre lüften.
Seitdem ist fast ein Jahrzehnt verstrichen, ohne dass die israelische Öffentlichkeit erfahren hat, was genau in der Zwischenzeit an archäologischer Forschung im besetzten Westjordanland geschehen ist. Greenberg und seine Mitstreiter ließen aber auch diesmal nicht locker. Vor zwei Jahren forderte die Jerusalemer NGO „Emek Shaveh“, bei der Greenberg mitwirkt, gemeinsam mit der israelischen Menschenrechtsorganisation „Yesh Din“ die Zivilverwaltung auf, die aktuellen archäologischen Aktivitäten in den besetzten Gebieten offenzulegen – vergebens. Vor einem Jahr reichten beide Organisationen dann Klage auf Akteneinsicht beim Jerusalemer Bezirksgericht ein. Nachdem sich lange nichts getan hatte, nahm sich das Gericht des Falls kürzlich doch noch an und wies die Klage ab. Eine Bekanntgabe der Namen der israelischen Archäologen, die im Westjordanland graben, so die richterliche Begründung, könnte sie zur Zielscheibe der internationalen Boykottbewegung gegen Israel machen, was ihrer beruflichen Karriere schaden würde.
Die Parallelwelt der Siedler
Die Geheimniskrämerei mutet umso merkwürdiger an, weil sich mittlerweile die israelischen Siedler im Westjordanland gern selbst als Archäologie-Experten gerieren, vermutlich mitgraben und dabei vom Besatzungsapparat weit mehr als nur Rückendeckung erhalten. Der „Archäologie-Stabsoffizier“, wie das einschlägige Amt der Zivilverwaltung für die Altertümer bezeichnet wird, gibt sich unter seinem Leiter Hanania Hizmi alle Mühe, das Thema Archäologie unters Volk zu bringen. So werden die Siedler durch Beratungs- und Bildungsangebote animiert, in diesem Bereich aktiv zu werden. Offiziell werden solche Maßnahmen zwar mit dem Erhalt des dortigen Kulturerbes und dem Schutz vor Antikenraub begründet. Hinter den vielen archäologischen Projekten in den besetzten Gebieten verbirgt sich jedoch offenbar die Absicht, sie in eine rasant wachsende touristische Infrastruktur zu integrieren, womit die wirtschaftliche Konsolidierung der Siedlungen vorangetrieben werden soll. Dass man damit das Siedlungswerk weiter zementieren will, liegt auf der Hand.
Was die Archäologie angeht, schufen die Siedler eine Parallelwelt. Zu den Instituten der Universitäten und zur staatlichen Antikenbehörde bestanden offiziell zwar kaum Verbindungen, aber in der Praxis sind diese Sphären enger miteinander verflochten als bislang bekannt. Als Scharnier diente stets der Archäologie-Stabsoffizier mit seinem Team. So hatte Hanania Hizmi bereits in den achtziger Jahren als Mitarbeiter eines seiner Amtsvorgänger an etlichen Orten in den besetzten Gebieten gegraben. Später wechselte er zur Antikenbehörde, um 2011 wieder in die Archäologie-Abteilung des Besatzungsapparats zurückzukehren – diesmal als Leiter. Beide Behörden haben ihre Zusammenarbeit denn auch längst intensiviert und veröffentlichen etwa gemeinsam die Reihe „Judea and Samaria Publications“. Sie informiert über die dortigen archäologischen Funde und einschlägigen Projekte, scheint aber mehr Ansehen im Ausland als beim akademischen Archäologie-Establishment in Israel zu genießen, wo es generell Vorbehalte gibt, mit dem Besatzungsapparat zusammenzuarbeiten.
Biblisch orientierte Siedler-Archäologie
Diesen Widerstand haben die Siedler jedoch durch die Kooperation mit dem akademischen College in der Siedlung Ariel umschifft, das sich seit einigen Jahren trotz aller Proteste offiziell Universität nennen darf und vom Staat auch bereits als solche behandelt wird. In Ariel hatte man schon 1991 begonnen, jährliche Tagungen über „Forschungen zu Judäa und Samaria“ zu veranstalten. Kamen die mitwirkenden Wissenschaftler lange Zeit nur aus dem Siedlermilieu und ihm nahestehenden Kreisen, scheint sich das nun allmählich zu ändern. Dem Redaktionsbeirat der gleichnamigen Zeitschrift, in der die Beiträge der Tagungen veröffentlicht werden, gehören inzwischen namhafte Forscher wie Yeshayahu Gafni, Professor für jüdische Geschichte, und der Geographieprofessor Amos Frumkin von der Hebräischen Universität in Jerusalem an.