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Selbsterkenntnis : Die Ich-Maschinen

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Ich sehe und höre nur noch, was ich will: Darauf ist besonders Facebook eingestellt, das seine Nutzer besser zu kennen glaubt als diese sich selbst. Sie bekommen Scheuklappen aufgesetzt und merken es nicht. Bild: Reuters

Amerikanische Start-ups prägen die neuen Gesetzmäßigkeiten der Medienwelt. Sie bedienen die Ego-Sucht ihrer Nutzer und setzen den neuen Informationstrend: Selbsterkenntnis statt Welterkenntnis.

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          Irgendwann, so ist das bei Revolutionen, verlieren Bewegungen ihr Tempo. Die neue Macht stabilisiert sich, der Alltag kehrt zurück. Bei der digitalen Revolution ist das anders. Die Geschwindigkeit der Veränderungen nimmt weiter zu, besonders was die Nutzung von Medien angeht. Mehr als zwanzig Jahre nach der Erfindung des World Wide Web haben wir immer noch keine sichere Antwort auf entscheidende Fragen: Wie werden sich die Menschen in Zukunft über Politik, Wirtschaft und Kultur informieren? Verändern Smartphone und soziale Medien die Gesellschaft eigentlich zum Besseren? Und wie schaffen Medien in Zukunft das, was jedes demokratische Gemeinwesen braucht: unabhängige, tiefgründig recherchierte Information?

          Eines der besten Schaufenster für die Zukunft der Informationsgesellschaft ist das gerade zu Ende gegangene Tech-Festival „South by Southwest“ (SXSW) im texanischen Austin. Zu beobachten war eine sich rasant entwickelnde Info- und Medienindustrie, die zu völlig neuen Wegen der Komposition, Verteilung und Finanzierung von Inhalten kommt. Im Mittelpunkt stehen die Symbiose von Medien, neuen wie alten, um schnell wachsende globale Plattformen wie Facebook, Snapchat, Instagram oder Whatsapp herum.

          „Facebook verschlingt die ganze Welt“

          Informationsrituale wie das morgendliche Abrufen von redaktionell komponierten Websites, Zeitungslektüre in der S-Bahn oder der Fernsehabend verschwinden. Der ständige Zugriff auf das Smartphone – bei Jüngeren im Schnitt mehr als hundertsechzig Mal pro Tag – führt zu einer Gleichzeitigkeit von Information, eigenem Erleben und Kommunikation, deren Adressaten weitere Reaktionskaskaden auslösen. Das Ergebnis ist ein unaufhörliches Schlagzeilen-Crescendo und ein granularer Medienstrom. Die Informationsgrundlagen des demokratischen Gemeinwesens verschieben sich, ohne dass der Gesellschaft Zeit bleibt, sie zu reflektieren.

          Emily Bell ist eine besonnene Wissenschaftlerin, bekannt für ihre klugen Analysen des Medienwandels. Doch wenn das Gespräch auf Facebook kommt, wird die ehemalige Digital-Chefin des „Guardian“ emotional: „Das Ende der Nachrichten, wie wir sie kennen: Wie Facebook den Journalismus verschlingt“ betitelte sie kürzlich eine Rede. Dabei hebt die Medienwissenschaftlerin, die an der Columbia School of Journalism in New York lehrt, eigentlich stets die Chancen der neuen Medien-Technologien hervor. Doch zuweilen kommt sie ins Zweifeln: „Unser News-Ökosystem hat sich in den vergangenen fünf Jahren stärker verändert als zu irgendeiner Zeit in den vergangenen fünfhundert Jahren“, sagt sie, „Facebook verschlingt die ganze Welt.“

          Facebook, Betriebssystem der digitalen Sphäre

          Tatsächlich vereinigen sich zwei der mächtigsten Kommunikationstechnologien und schaffen einen für Hunderte Millionen Menschen unwiderstehlichen Verbund: das Smartphone und Facebook. Das Smartphone ist die persönlichste und intelligenteste Maschine für Information und Kommunikation, die der Mensch je erschaffen hat. Facebook ist das intelligenteste und persönlichste Organisationssystem für dieses Gerät. Sie bedienen eines der größten Bedürfnisse des Menschen: sich mit anderen darüber auszutauschen, was war, was ist und was sein wird.

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